Archäologie:Flucht vor der Welle

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Der Camanchaca ist eine Art des Nebels, der in Chile, hier im Nationalpark Pan de Azucar, vom Meer her aufzieht. (Foto: Chilestock /imago images)

Ein gewaltiger Tsunami hat in der Steinzeit die Küste Chiles verwüstet. Die Menschen siedelten daraufhin tausend Jahre nur noch im Landesinneren.

Vor 3800 Jahren überraschte ein Tsunami die Küstenbewohner des heutigen Chiles. Der Tsunami - Folge eines starken Erdbebens - richtete so schwere Zerstörungen an, dass die ansässigen Menschen ihre Siedlungen aufgaben, berichtet eine internationale Forschergruppe im Fachjournal Science Advances. Erst nach tausend Jahren, als die Erinnerung an die Katastrophe wohl erloschen war, kehrten die Menschen wieder in größerer Zahl an die Küste zurück.

Erdbeben und Tsunamis gehörten zu den verheerendsten Naturkatastrophen, die menschliche Gesellschaften treffen können, schreibt das Team um Diego Salazar von der Universidad de Chile. Aktuell sei eine wachsende Zahl an Menschen diesen Risiken ausgesetzt. So hätten seit Beginn dieses Jahrhunderts bereits mehr als 700 000 Menschen infolge von Erdbeben ihr Leben verloren, darunter das Tohoku-Beben im Jahr 2011, das zum Atomunfall in Fukushima geführt hatte. Um Risiken etwa zur Häufigkeit und den Konsequenzen besser abschätzen zu können, seien Beobachtungen über lange Zeiträume wichtig, auch aus zurückliegenden Zeiten.

Die Wissenschaftler hatten für ihre Studie über zwei Jahrzehnte lang archäologische Untersuchungen an der Atacama-Küste Chiles durchgeführt. Die Atacama-Küstenwüste im Norden Chiles ist ein extremes Trockengebiet zwischen Arica und Huasco. Es gibt dort kaum Pflanzenwachstum und praktisch keine Niederschläge. Im vorgelagerten Meer hingegen tummelt sich das Leben: Es ist eines der produktivsten Meeresökosysteme und reich an Fischen. Grund dafür ist der kalte Humboldtstrom und der Küstenauftrieb. Deshalb war die Region bei Jägern und Sammlern beliebt, für fast zwölftausend Jahre, einschließlich des Zeitpunkts des Ereignisses vor etwa 3800 Jahren.

Ein Erdbeben hob die Küste meterhoch an

Die Forscher hatten unter anderem an verschiedenen archäologischen Stätten nach Spuren mariner Organismen gesucht, die als Folge eines Tsunamis an Land abgelagert worden waren. In Regionen, die heute bis zu sieben Meter über dem Meeresspiegel liegen, wurden sie fündig: Sie entdeckten alte Strände. Veränderungen des Meeresspiegels könnten die Beobachtung nicht erklären, berichten die Forscher. Sie gehen davon aus, dass ein gewaltiges Erdbeben die Küste angehoben hatte. Ihren Modellierungen zufolge hatte das Beben eine Stärke von 9,5.

Als Folge der Zerstörung scheinen die ansässigen Jäger, Sammler und Fischer ihre Siedlungen und ihre Friedhöfe aufgegeben zu haben, zeigten weitere Untersuchungen. Als Anpassung an die neue Situation verlegten die Menschen sie zunächst in höhere Lagen. Erst nach tausend Jahren hätten sich die demografischen Zahlen erholt, erklärte Salazar - es ließen sich also wieder Menschen in Küstennähe nieder. Aber sowohl die Friedhöfe als auch die Siedlungen blieben zunächst in höheren Lagen. Erst knapp 3000 Jahre nach dem Ereignis siedelten Menschen wieder dort, wo sie vor dem Beben gesiedelt hatten.

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