Süddeutsche Zeitung

Chemikalienverordnung:Gefahr für die Umwelt?

Bei einer Überprüfung kam heraus, dass nur genau eines von 1814 sogenannten Registrierungsdossiers für Chemikalien den offiziellen Anforderungen genügt. Die verantwortlichen Firmen müssen nachbessern.

Von Hanno Charisius

Die Hersteller von Chemikalien machen bei der Registrierung ihrer Produkte in den meisten Fällen unvollständige Angaben. Bei einer Überprüfung im Auftrag des Umweltbundesamtes (UBA) kam heraus, dass nur eines von 1814 sogenannten Registrierungsdossiers den offiziellen, EU-weit geltenden Anforderungen genügt.

Besonders oft fehlen Angaben darüber, ob die Chemikalien das Erbgut von Menschen verändern. Auch die Informationen zur Umweltgefährlichkeit sind häufig lückenhaft. Christoph Schulte vom UBA vermutet, dass einige Unternehmen strategisch vorgehen, "andere konnten es wahrscheinlich nicht besser in der kurzen Zeit."

Seit 2007 dürfen in der Europäischen Union nur noch Chemikalien im großen Maßstab gehandelt werden, die zuvor registriert worden sind. "Ohne Daten kein Handel", ist das Prinzip der Reach-Verordnung (Reach steht für: Registrierung, Evaluierung und Autorisierung von Chemikalien). Einige Unternehmen mussten sich sehr beeilen, die notwendigen Unterlagen zusammenzustellen, um den Handel nicht aussetzen zu müssen.

Bei einer Recherche fielen Schulte und seinen Kollegen Lücken in einigen Registrierungsdossiers auf. Den Zufallsfund nahm das UBA zum Anlass, beim Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) eine systematische Analyse aller 1814 Registrierungsdossiers in Auftrag zu geben, für die Stoffe, von denen pro Jahr mehr als 1000 Tonnen in der EU gehandelt werden.

Die Prüfer entdeckten, dass 58 Prozent der Dossiers definitiv problematisch sind. Bei den übrigen 42 Prozent können es die Prüfer derzeit noch nicht sicher sagen, wie groß die Mängel sind. Die Unternehmen können auf einige Angaben verzichten, wenn sie gut begründet auf Informationen zu ähnlichen Stoffen verweisen können. Ob diese Querverweise immer gerechtfertigt sind, wird das BfR jetzt untersuchen. Manche Substanzen wurden auch nicht mit Standardverfahren getestet, sodass die Prüfer kontrollieren müssen, ob die Ersatzdaten ausreichend sind.

Mit üblen Konsequenzen brauchen die nachlässigen Hersteller und Importeure vorerst nicht zu rechnen. Schlimmstenfalls können sie zwar die Registrierungsnummer verlieren, ohne die sie ihre Chemikalien nicht mehr verkaufen können. Doch bis dahin sei es ein langwieriger Prozess, sagt Schulte.

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Quelle:
SZ vom 24.07.2015
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