Naturschutz:Jäger sollen mehr Rehe schießen

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Ein Rehbock läuft in der Morgensonne über eine Wiese. (Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

Das sieht das neue Bundesjagdgesetz vor. Ziel ist, den Wald widerstandsfähiger gegen den Klimawandel zu machen. Nicht alle Naturschützer sind mit dem Gesetz glücklich.

Von Thomas Krumenacker

Zwei extreme Dürrejahre hintereinander, Sturmschäden, Waldbrände und dann auch noch der Borkenkäfer. Der Wald in Deutschland steckt tief in der Krise. Um den Lebensraum, der mehr als ein Drittel Deutschlands bedeckt, zu retten und ihn gegen die Erderwärmung widerstandsfähiger zu machen, haben Bund und Länder bereits ein 800-Millionen-Euro-Programm auf den Weg gebracht. Nun soll der Wald auch von der Jagd Schützenhilfe bekommen - und das ist durchaus wörtlich zu verstehen.

"Zäune weg und Feuer frei" könnte das Motto des vorgelegten Gesetzesentwurfs lauten

Weil der Verbiss vor allem durch Rehe als eines der Haupthindernisse für den angestrebten Umbau des Waldes weg von anfälligen Nadelbaum-Monokulturen und hin zu widerstandsfähigen Mischwäldern gilt, sollen Jäger mehr Rehe schießen. So sieht es jedenfalls im Ergebnis die kürzlich fertiggestellte Novelle des Bundesjagdgesetzes vor, auf die sich die Bundesministerien für Landwirtschaft und Umwelt nach mehrmonatigen überraschend geräuschlosen Verhandlungen verständigt haben. "Vorfahrt für den Wald" oder auch "Zäune weg und Feuer frei" könnte das Motto des vorgelegten Gesetzesentwurfs lauten, der noch im September vom Bundeskabinett verabschiedet werden soll.

Um den Waldschutz zu stärken wird in der Novelle erstmals "eine Naturverjüngung des Waldes im Wesentlichen ohne Schutzmaßnahmen" neben dem Erhalt eines artenreichen Wildbestandes als Ziel vorgegeben. Unter dem Schlagwort eines "angemessenen Ausgleichs zwischen Wald und Wild" wird damit ein Paradigmenwechsel weg vom Einzäunen großer Flächen zum Schutz vor Wildverbiss hin zu einer stärkeren Bejagung vollzogen. Diese Vorfahrtsregel für die natürliche Waldverjüngung durchzieht zahlreiche Bestimmungen des Gesetzes bis hinein in die Jägerausbildung.

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Wichtigste Neuerung auf dem Weg zu höheren Abschusszahlen ist die Abschaffung der bisher verpflichtenden Abschusspläne für Rehwild. Stattdessen sollen sich Waldbesitzer und Jäger künftig auf eine Mindestzahl für die zu tötenden Tiere pro Revier verständigen, eine Obergrenze gibt es nicht mehr. Einigen sie sich nicht, weil etwa der stärker am Waldwachstum interessierte Waldbesitzer mehr Abschüsse will als der Jäger, kann im Zweifelsfall die Jagdbehörde entscheiden, wie viele Rehe getötet werden müssen. Dabei ist sie gehalten, sich an die neue Zielvorgabe des Jagdgesetzes zu halten, die Waldverjüngung zu fördern. Bei der Entscheidung kann sich die Behörde künftig auch auf eigens angefertigte Gutachten zum Wildverbiss stützen.

Die Tötungsfreigabe ohne Abschussplan galt bisher unter den Schalenwildarten nur für Wildschweine. Mit der Neuerung greift die Regierung auch einige Ergebnisse des Waldgipfels vom Herbst 2019 auf. Umweltverbände und Waldexperten hatten einen "Paradigmenwechsel zugunsten eines waldfreundlichen Wildtiermanagements" - sprich mehr Abschüsse - gefordert.

Umweltverbände reagierten unterschiedlich auf die jetzt vorgelegte Novelle. Nabu-Bundesgeschäftsführer Leif Miller lobt, die stärkere Förderung der Naturverjüngung durch eine konsequentere Bejagung sei ein richtiger Ansatz. "Absolut enttäuschend" nennt dagegen die Wald-Expertin des BUND, Nicola Uhde, den Gesetzentwurf. Er bringe keine Verbesserungen für den Waldumbau. So fehlten verpflichtende Vegetationsgutachten und eine waldfreundliche Regelung der Abschusszahlen für Rehe. "Es kann nicht sein, dass jahrelange Bemühungen engagierter Förster, junge Laubbäume in Nadelforsten hochzubringen, immer wieder von Rehen vernichtet werden, wegen Versäumnissen der Jagd", kritisiert sie.

Kleinere Verbesserungen sieht der Gesetzentwurf beim Vogelschutz vor. So ist künftig nicht erst die Verwendung, sondern schon das Mitführen von Greifvogel-Fangkörben für Nicht-Falkner verboten. Damit soll die illegale Verfolgung erschwert werden. Vor dem Hintergrund der befürchteten Ausweitung der Afrikanischen Schweinepest nach Deutschland wird die Jagd auf Wildschweine erleichtert. Für sie wird der bislang verbotene Einsatz von Nachtzielgeräten erlaubt.

Der Einsatz bleihaltiger Munition bleibt gestattet

Natur- und umweltpolitisch heiße Eisen spart der Gesetzentwurf dagegen aus. Dabei dürfte auch die Erinnerung an die gescheiterte weitreichendere Novelle des Jagdgesetzes eine Rolle gespielt haben, auf die sich die Koalitionäre 2006 bereits verständigt hatten und die in letzter Minute vom damaligen bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer gestoppt wurde. Um eine neuerliche Blamage zu vermeiden, sei "keine Seite mit einer Kampfversion in die Verhandlungen gegangen", heißt es aus Verhandlungskreisen.

So wurde beim hochumstrittenen Thema der Verwendung bleihaltiger Munition jetzt zwar erstmals festgelegt, dass sie bei der Jagd auf Reh, Wildschwein oder Hirsch nur eingesetzt werden darf, wenn sie nicht mehr Blei in den Tierkörper abgibt, als "nach dem Stand der Technik" unvermeidbar ist. Auf ein komplettes Bleiverbot, wie es auch die Europäische Kommission aus Gründen des Schutzes der menschlichen Gesundheit und der Ökosysteme derzeit vorbereitet, verzichtet der Entwurf aber, was von Nabu-Geschäftsführer Miller kritisiert wird. "Das längst überfällige Bleimunitionsverbot muss endlich auch im Bundesjagdgesetz festgehalten werden", fordert er. Im Umweltministerium setzt man darauf, dass ein generelles Bleiverbot in der Jagd über die angestrebten EU-weiten Verbotsregelungen quasi durch die Hintertür auch in Deutschland kommt.

Nicht angetastet wurde die Liste der jagdbaren Tierarten, obwohl Änderungen hier aus Sicht des Naturschutzes überfällig sind. Auf der Liste finden sich immer noch Arten, die aus Gründen des Artenschutzes seit Langem keine Jagdzeit mehr haben und deshalb nicht geschossen werden dürfen, darunter alle Greifvögel. Sie sind damit zwar geschützt, der Nachweis illegaler Verfolgung ist aber schwierig, weil auch tot aufgefundene Tiere, die dem Jagdrecht unterliegen, nicht ohne Zustimmung des Jägers etwa zu Untersuchungen gebracht werden dürfen. Selbst das Mitnehmen einer Feder ist bei diesen jagdbaren Arten formal verboten.

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