Büffelzüchter Willi Wolf:Buffalo Bill auf der Alb

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Willi Wolf züchtet Büffel auf der Schwäbischen Alb (Foto: dpa)

Seine Leidenschaften sind Westernreiten und sture Rindviecher: Willi Wolf züchtet asiatische Wasserbüffel im Schwäbischen und pfeift darauf, wenn Nachbarn lästern. Der Almauftrieb dieser Kraftpakete ist eine spektakuläre Show.

Von natur-Autorin Agnes Fazekas

Greifvögel kreisen über der Schwäbischen Alb, während die Männer in schweren Mänteln ihre Pferde aufzäumen. Einer der Reiter auf diesem Hof bei Hohenstein ist Willi Wolf, ein kräftiger Kerl mit Schnauzbart, Nickelbrille und einem Cowboyhut, der mit seinem Kopf fest verwachsen zu sein scheint.

Lässig zieht der 58-Jährige noch einmal an der Reval, die zwischen seinen Lippen klemmt. Dann brüllt er "Hooohooohooo" und lässt das Pferd zum Tor traben. Sein Auftritt ist nicht nur Show. Wolf züchtet Westernpferde. Einerseits, weil es ihm Spaß macht. Andererseits braucht er die Tiere, um seine Wasserbüffel auf die Weiden zu treiben.

Dunkle Kolosse sind das, mit Hintern wie Waschmaschinen und sichelförmig gebogenen Hörnern - Tiere, die man eigentlich in Indien wähnt. Nach einem langen Winter im Stall dürfen die Büffel heute wieder an die frische Luft. Ungeduldig trampeln die Wiederkäuer Richtung Ausgang, lassen mit ihren massigen Leibern die Wände des Unterstands vibrieren. Die Kühe grunzen und grollen, ihre Kälber versuchen, sie mit kieksigen Stimmen nachzuahmen. Draußen blinzeln die Büffel in die Frühlingssonne, kurz darauf galoppiert die Herde auf die Wiese hinter dem Haus.

Albbüffelbraten, im Heubett gegart

Angeführt wird die Meute von Willi Wolfs Sohn Patrick. Sein Lasso baumelt am Sattel, eine verspiegelte Sonnenbrille verbirgt die Spuren der vergangenen Nacht. Gestern war Dorffest, und einige Cowboys wirken noch etwas mitgenommen. Doch jetzt fordern 290 Wasserbüffel ihre Aufmerksamkeit. Exotische Rinder auf der Alb? Für Willi Wolf ist das ganz normal. Immerhin lebten hier schon einmal solche Tiere - wenn auch vor 300 000 Jahren. Bei Steinheim an der Murr fanden Bauarbeiter fossile Überreste. "Sicher, Löwen und Elefanten gab es in dieser Gegend ebenfalls, und trotzdem haben wir keine im Stall", lacht Wolf.

Früher züchtete er einheimische Rinder. Doch nachdem der Fleischpreis in den Keller gerutscht war, rentierte sich naturgerechte Haltung nicht mehr. 2005 erfährt Wolf von einer Wasserbüffel-Zucht in Norddeutschland. "Mir hat ihre Ausstrahlung gleich gefallen", sagt er und beißt in sein Wienerle. Das ist nicht aus Büffelfleisch. Dabei liebt er dessen Geschmack: eine Mischung aus Kalb, Rind und Wild. Sehr dunkel, kurzfaserig, mit viel Biss. "Kein Weiberzeugs", wie er sagt. Seine Büffel werden nach einem Jahr geschlachtet. "Die sind hager, haben kein intramuskuläres Fett". Drei Kälber bringt er wöchentlich zu Metzger Ludwig Failenschmid in St. Johann-Gächingen, der das Fleisch zu luftgetrocknetem Albbüffelschinken oder Albbüffelgöschle (eine Variante der Schwäbischen Maultaschen) verarbeitet und in seinem Landgasthof Wolfs Leibspeise kredenzt: Albbüffelbraten, im Heubett gegart.

Von Spezialitäten will Wolf allerdings nicht reden. Das vertrage sich nicht mit dem Nachhaltigkeitsgedanken. "So ein Tier besteht eben nicht nur aus Filet", betont er. Sogar das Leder der Büffel wird gegerbt und zu Jacken, Portemonnaies oder Schlüsselmäppchen verarbeitet. Nur die wenige Milch der Albbüffel gibt Wolf lieber den Kälbern.

Aber heute wird nicht geschlachtet. Heute treiben die Cowboys einen Teil der Kühe mitsamt ihren einjährigen Kälbern nach Meidelstetten, die Tiere mit noch jüngerem Nachwuchs kommen nach Bernloch, jene ohne Kalb dürfen sich im Naturschutzgebiet Schmiechener See tummeln. In dieser Region bei Ulm wachsen Weiden wie Unkraut. Die Folge: Für bodenbrütende Vögel fehlt der Lebensraum. Wolfs Büffel aber lieben es, ihre Hörner so lange an den Weiden zu schubbern, bis diese absterben. Günstige Landschaftspflege also.

Bevor es soweit ist, müssen Mensch und Tier durch schwieriges Terrain. Für Willi Wolf ein willkommenes Spektakel. "Diese Tage sind mein Erntedankfest, darauf freue ich mich wie ein Kind." Die Herausforderung für die Reiter ist der "Skihang", ein steiler Hügel, den die Büffel begeistert hinunterpreschen. Unten schlängelt sich eine befahrene Straße. Also müssen die Cowboys ihre Herde bergab im vollen Galopp überholen, um sie in der Ebene kontrolliert auszubremsen. Dabei ist unklar, welchen Weg die Schwergewichte wählen. Bis zu 700 Kilogramm wiegt ein Büffel. "Die drücken einfach drauf auf den Menschen, bis er hin ist", sagt einer der Helfer. Wolf sieht das weniger dramatisch: "Die sind zwar unheimlich stur, aber nicht hektisch; manchmal kracht es eben."

Mittlerweile ist Willi Wolf gut vorbereitet. Die erste Lektion, die ihm die Büffel erteilten, lautete: Baue stabil! Den Stall für den Winter musste er gleich in den ersten Tagen mehrmals reparieren. Lektion zwei: Geduld. Das Tier entscheidet, wann es sich bewegen will. Nicht ganz einfach ist auch die Beziehung zwischen Pferden und Büffeln. Wenn die braunen Riesen laufen, ducken sie ihre gedrungenen Köpfe und legen die Ohren an - für Pferde ein Zeichen von Aggression. "Man muss deshalb von schräg hinten an die Herde heranreiten, um sie zusammenzutreiben", sagt Wolf. Letztlich trotten aber sowieso alle Büffel der massigen Leitkuh nach. "Nummer 100", nennt er sie. "Viecher, die man frisst, haben keinen Namen."

Muskelberge rollen ins Tal

Jetzt trabt die Herde auf eine Kreuzung zu, plötzlich werden die Tiere ruhig, sie bleiben stehen, reiben ihre Rücken ausgiebig an den Bäumen am Wegrand. Aus dem Wettlauf der vierbeinigen Giganten ist ein Streichelzoo geworden. Gemächlich trotten die Tiere in alle Richtungen, schnüffeln an Blümchen, inspizieren junge Triebe. Kühe und Kälber wirken so gelassen, dass jeder sofort glaubt, dass sich Büffel nicht ärgern lassen. Daher ist im Übrigen ihr Fleisch auch frei von Stresshormonen ... Irgendwann ist aber auch die idyllischste Pause vorbei. "Heyhey", "Houhou", "Hophop", dröhnt es über die Alb, als die schwäbischen Kuhhirten ihre Tiere zum Weiterlaufen motivieren.

Als Willi Wolf vor knapp zehn Jahren die ersten Wasserbüffel in die Gegend brachte, fürchtete er, dass ihn die Nachbarn als Exoten belächeln könnten. Schon mit seiner Freilandhaltung galt er als Sonderling. "Auslauf gibt es auf der Alb nicht, hier steht alles schön eng im Stall", kommentiert Wolf ironisch. "Jetzt spinnt er völlig und holt sich Viecher aus Indien", mokierten sich tatsächlich einige Anwohner.

Dabei stammen seine Tiere nicht direkt aus Asien, sondern aus Rumänien. Dort werden Wasserbüffel schon seit Jahrzehnten als Nutztiere gehalten. "Brutal mager", seien die 36 Büffelkühe gewesen. "Die Leute sind eben arm, aber was in Rumänien konventionell gehalten wird, ist sicher mehr Bio als das, was hier zertifiziert ist", sagt der Züchter: Damit seine Tiere das Siegel erhalten, müssen sie zwei Drittel ihres Lebens in einem entsprechenden Betrieb verbracht haben. Tiere, die auf ökologisch bewirtschafteten Höfen geboren werden, sind dagegen automatisch zertifiziert. Deswegen kaufte Wolf tragende Kühe.

Reiter und Büffel sind inzwischen auf dem berüchtigten Plateau mit dem Skilift angekommen. Im Wald sitzen die Zuschauer wie auf einer Tribüne, manche hocken auf Jägerständen. Feuchte Luftschwaden hängen über der Wiese zwischen den Büffeln oben und den Schaulustigen im Tal. Dann geht alles sehr schnell. Dunkle Muskelberge rollen ins Tal, eine Kuh überschlägt sich, rutscht ein paar Meter auf dem Rücken über die Böschung, bis sie sich wieder fängt und auf die Beine kommt.

Wolfs Sohn Patrick und seine Freundin Hanna galoppieren an ihnen vorbei und schneiden den ersten Tieren kurz vor der Landstraße den Weg ab. Die Zuschauer halten den Atem an.

Aber innerhalb von Sekunden kommen die 130 Büffel zum Stehen und drängen sich schließlich friedlich wie Schäfchen aneinander. Wie aus einer anderen Welt wirken die bunt gekleideten Radler, die jetzt aus der grauen Nebelsuppe hinter der Herde auftauchen. Keine Chance, sich an den Hornträgern vorbeizuschlängeln. Sie nehmen es mit Humor, zücken ihre Smartphones, knipsen begeistert. Die letzte Herausforderung vor der Sommerweide: ein enger Waldweg. Links und rechts splittern die Zweige. Wolf erreicht die Wiese als erster. "Tutto completti", sagt er. "Die sind ein bisschen ins Schwitzen geraten - wie ich auch."

Dabei haben Wasserbüffel nur ganz wenige Schweißdrüsen - das weiß auch Wolf. Schließlich wurde er deshalb schon von Tierschützern angegriffen. Denn anstatt zu schwitzen, kühlen sich die Büffel beim Suhlen ab - und die Alb ist von Natur aus ein karger Ort. Aber die Tiere haben ihre Schlammlöcher schon gewittert, die erste Kuh wirft ihre ganze Masse in den Matsch, wälzt sich auf den Rücken und rudert mit allen vier Beinen wie ein Hund. "Die Suhlen graben die sich selbst", sagt Wolf. "Nur im Hochsommer trocknen die Löcher manchmal aus, dann müssen wir sie auffüllen."

Mager sind seine Kühe schon lange nicht mehr, obwohl sie hauptsächlich trockenes Gras, Kräuter und Disteln fressen. Die Büffel sind so robust, wie sie aussehen. "Null Tierarztkosten", sagt Wolf. Er ist sicher, dass sich seine Büffel hier wohlfühlen. Die Reiter nicken sich zu und steigen in die Bügel. Ihr Job ist getan. Auf sie wartet jetzt das Reiterstüble mit dem Kuchenbuffet. Dort nimmt sich Willi Wolf ein Stück Käsesahne - und geht schweren Schritts zum Tisch zurück, als ob ihm das Pferd noch immer zwischen den Beinen klemmte.

Der weltweite Zug der Wasserbüffel

Das Verbreitungsgebiet des wilden Wasserbüffels ist seit der Eiszeit geschrumpft. Zur Zeit der frühen Hochkulturen Mesopotamiens war er zwischen Euphrat und Tigris häufig und über Indien bis nach China und Südostasien verbreitet. Seinen Lebensraum bilden Feuchtgebiete, Sumpfwälder und Flusstäler. Zum Schutz vor Insekten und zur Abkühlung hält er sich oft im Wasser oder im Schlamm auf. Weltweit gibt es 150 Millionen domestizierte Wasserbüffel. Die verschiedenen Rassen dienen in Asien heute noch zur Milch- und Fleischerzeugung, vor allem aber als Arbeitstier. So kann mit einem Büffel an einem Tag ein 0,25 Hektar großes Reisfeld umgepflügt werden. In jüngerer Zeit gelangten Wasserbüffel auch nach Südeuropa, Nord- und Ostafrika, Australien, Mauritius, Hawaii, Südamerika und Japan. In Europa wird er in Italien, Rumänien und Bulgarien in größerem Stil gehalten. In Australien verwilderten die Tiere und besiedelten den Norden, wo heute etwa 200 000 Exemplare leben. In Deutschland werden derzeit etwa 1800 Wasserbüffel gehalten.

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