Buch: "Die Homöopathie-Lüge":Ein Bundespräsident als Glücksfall

Die Gesundheitsministerin in Nordrhein-Westfalen, Barbara Steffens (Grüne), hat sich als besonders wertvolle Verbündete der Homöopathen erwiesen, die öffentlich fordert, die paramedizinische Methode müsse einen festen Platz im Gesundheitssystem haben. Auch die Entschärfung der Novelle des Arzneimittelgesetzes 2009 geht offenbar unter anderem auf die Lobbyarbeit des BPI unter SPD-Bundestagsabgeordneten zurück. So konnte die Deutsche Homöopathie-Union jubeln: "Unangemessene regulatorische Anforderungen an Hersteller homöopathischer Arzneimittel kurz vor Abstimmung doch noch abgewendet."

"Politiker, die weniger daran interessiert sind, was tatsächlich möglich ist, sondern mehr daran, was Bürger für möglich halten, finden sich anscheinend immer", schreiben die Autoren dazu.

Ein Glücksfall für die Homöopathen war auch, dass Karl Carstens (CDU) 1979 zum Bundespräsidenten ernannt wurde. Gemeinsam mit seiner Frau Veronica Carstens, eine Anhängerin der Homöopathie, gründete er eine Stiftung zur Förderung alternativer Heilverfahren - die schon dank ihres Namens über großen Einfluss verfügt. Auf europäischer Ebene arbeitet die European Coalition on Homeopathic and Anthroposophic Medicinal Products (Echamp). "Deren Vertreter frühstücken zum Beispiel schon mal in Brüssel gemeinsam mit Europa-Parlamentariern und legen ihnen die Philosophie und die besonderen Bedürfnisse der alternativen Therapierichtungen ans Herz", berichten Weymayr und Heißmann.

Darüber hinaus weisen die Autoren auf besondere, hintergründige Gefahren der Homöopathie hin, die bei den endlosen Diskussionen über die Studien zur Wirksamkeit gern übersehen werden: Wer zu lange auf die alternative Heilmethode setzt, verschleppt möglicherweise eine Krankheit, die mit konventionellen Mitteln hätte behandelt werden können.

"Vor allem aber", heißt es zutreffend bereits auf dem Buchrücken über die weißen Kügelchen, die Globuli, "untergraben sie ein Denken, das auf rationalen Kriterien beruht". Denn sollten die Homöopathen recht haben, müssten die grundlegendsten Erkenntnisse der Physik in Frage gestellt werden. Das wird jedoch kaum jemand ernsthaft in Erwägung ziehen.

Deshalb, so schließen Weymayr und Heißmann, "kann es unserer Ansicht nach nur einen Ausweg geben: Die Homöopathie muss, wie die Astrologie und die Alchemie bereits vor ihr, kategorisch aus der wissenschaftlichen Welt verbannt werden. Homöopathie ist Glaube, Aberglaube, Esoterik, Voodoo".

Damit die Mediziner aber weiterhin jene Effekte nutzen können, die zwar nicht die homöopathischen Mittel, jedoch die homöopathische Behandlung insgesamt offenbar tatsächlich hat, sollten "Mediziner und ihre Verbände [...] dafür sorgen, dass das Gespräch und das zurückhaltende Therapieren im Gesundheitssystem einen angemessenen Stellenwert bekommen".

Christian Weymayr, Nicole Heißmann: Die Homöopathie-Lüge. So gefährlich sind die weißen Kügelchen. Piper Verlag, München 2012. 336 Seiten, 16,99 Euro. ISBN 9783492055369

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