Süddeutsche Zeitung

"Breakthrough Starshot":Flotte von Mini-Raumschiffen soll zu Alpha Centauri fliegen

Lesezeit: 3 Min.

Ein russischer Milliardär und Stephen Hawking haben ein Konzept für interstellare Reisen entwickelt. Mit einem Laserantrieb könnten winzige Raumschiffe Lichtjahre überwinden - doch der Plan hat Tücken.

Von Alexander Stirn

Flüge zu anderen Sternen ziehen sich gerne etwas hin. Selbst das Licht - der mit Abstand schnellste Reisende im Universum - braucht fast viereinhalb Jahre, um Alpha Centauri zu erreichen, den nächsten Sternennachbar der Erde. Eine Gruppe von Raumfahrtenthusiasten will sich davon allerdings nicht abschrecken lassen und die beschwerliche Reise nun endlich in Angriff nehmen: mit einer Flotte von Mini-Sonden, angetrieben durch das Licht.

"Starshot" heißt das Projekt, dem das Adjektiv "ambitioniert" nicht einmal ansatzweise gerecht wird. Am Dienstagabend hat es der russische Milliardär Juri Milner in New York vorgestellt. Seine Idee: Winzige, nur zehn Zentimeter große und wenige Gramm schwere Nanosonden sollen mit einer Rakete im All ausgesetzt werden. Dort würden sie mehrere Quadratmeter große, hauchdünne Segel entfalten, die anschließend von einem 100 Gigawatt starken Laserverbund auf der Erde ins Visier genommen werden. Dessen Lichtpulse beschleunigen die Raumsonden dann innerhalb weniger Minuten bis zu einem Fünftel der Lichtgeschwindigkeit.

Nach 120 Sekunden sollen die winzigen Raumschiffe bereits eine Million Kilometer von der Erde entfernt sein - zu weit, um noch nennenswert Laserenergie zu übertragen. Dann würden die Sonden noch rund 20 Jahre gleiten, bis sie Alpha Centauri erreichen. Etwa 100 Millionen Dollar will Milner, der sein Vermögen mit der Beteiligung an Internetfirmen gemacht hat, in den kommenden zwei Jahrzehnten für die Entwicklung eines Prototyps bereitstellen.

Weitere Spinnerei an verrückten Ideen

Man könnte das Ganze als weitere Spinnerei in der an verrückten Ideen nicht armen Geschichte der kommerziellen Raumfahrt abtun - so wie den Plan der niederländischen Stiftung Mars One, mit einer Fernsehsendung Freiwillige für eine Marsmission ohne Rückflugticket zu finden. Oder den Versuch der Pentagon-Forschungsabteilung Darpa, private Initiativen zur Entwicklung eines bemannten Raumschiffs für Flüge zu den Sternen zu motivieren.

Für solch ein schnelles Urteil stehen allerdings zu viele prominente Unterstützer hinter Starshot: Initiator Milner, Philanthrop und Physiker mit abgebrochener Doktorarbeit, hat unter anderem die Breakthrough-Wissenschaftspreise ins Leben gerufen, die mit einer Prämie von jeweils drei Millionen Dollar die Nobelpreise finanziell in den Schatten stellen.

Mit ihm im Starshot-Führungsbeirat sitzen Stephen Hawking, der Popstar der Kosmologie, und Facebook-Gründer Mark Zuckerberg. Beteiligt sind mehrere renommierte Astronomen und Mathematiker, unter ihnen Nobelpreisträger Saul Perlmutter. Pete Worden, ehemaliger Chef des kalifornischen Ames-Forschungszentrums der US-Raumfahrtbehörde Nasa, leitet das Projekt.

"Starshot ist innerhalb einer Generation machbar"

"Einige der hellsten Köpfe aus unterschiedlichen Disziplinen haben sich die Herausforderung angeschaut - und zu meiner Überraschung sind wir zu dem Schluss gekommen, dass Starshot innerhalb einer Generation machbar ist", sagt Milner. Etwa 20 technische Probleme, für die es derzeit noch keine Lösung gebe, habe das Team ausgemacht, keines sei unüberwindbar: "Es gibt kein physikalisches Gesetz, das unserem Ansatz entgegensteht."

Es gibt allerdings viele praktische Probleme. Das vielleicht größte ist der Antrieb. Um ausreichend Energie zu den Minisonden zu übertragen, müsste eine Laseranlage zwei Minuten lang so viel Leistung fokussiert ins All schicken, wie sie von 100 typischen Kernkraftwerken erzeugt wird. "Die echte physikalische Herausforderung wird sein, diese Leistung durch die Erdatmosphäre zu pumpen und ein winziges Ziel anzutreiben, ohne es zu zerstören", schreibt der Raumfahrtexperte Jonathan McDowell vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics bei Twitter.

Schnell ist relativ

Die Segel der Raumsonden müssten das Laserlicht nahezu vollständig reflektieren. Würden sie auch nur 0,01 Promille der Laserenergie absorbieren, würden sie augenblicklich gegrillt und damit zerstört. Trotzdem müssen sie stabil genug sein, um Kräfte bis zum 60 000-fachen der Erdbeschleunigung auszuhalten. Auch das ist ein Grund, warum Milner und Hawking nicht nur eine Nano-Sonde losschicken wollen, sondern einen Schwarm aus vielen Tausenden. Die Hoffnung: Ein paar werden schon durchkommen.

Schaffen sie es - und bringt Milner die geschätzten fünf bis zehn Milliarden Dollar zusammen, die eine solche Mission kosten dürfte -, sollen sich die Sonden am Ziel vor allem der Frage widmen, ob um Alpha Centauri ähnliche Planeten kreisen wie um unsere Sonne. Die schnellen Starshot-Raumschiffe, die für den Weg von der Erde zur Sonne lediglich 40 Minuten benötigen würden, müssen das allerdings im Vorbeiflug erledigen. Ein Bremsmanöver bei Alpha Centauri ist technisch unmöglich. Viel mehr als ein paar schnelle Schnappschüsse sind daher nicht drin.

Wobei schnell relativ ist: Bis die Bilder die Erde erreichen, werden weitere viereinhalb Jahre vergehen.

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Quelle:
SZ vom 14.04.2016
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