Botanik:Sensible Buchen

Wald in Hessen

Viele Bäume lässt es nicht kalt, wenn Tiere an ihnen fressen.

(Foto: Frank Rumpenhorst/dpa)

Bäume gelten nun wahrlich nicht als besonders empfindsame Wesen. Doch Buchen, Eichen und Co können offenbar unterscheiden, wer sie beschädigt - und darauf reagieren.

Von Katrin Blawat

Als besonders gefühlige Wesen gelten Bäume nun wirklich nicht. Ihre Unerschütterlichkeit wird sogar in Redewendungen gepriesen: "Was stört es eine stolze Eiche, wenn sich eine Wildsau dran wetzt?" Dabei müsste die Antwort womöglich lauten: mehr, als auf den ersten Blick ersichtlich ist. Denn auch Bäume bemerken, wer ihnen was antut. Sie spüren etwa, ob der Wind Knospen und Blätter wegfegt, oder ob ein Reh sie abknabbert. Und je nach Bedrohung reagieren sie unterschiedlich, wie Biologen um Bettina Ohse von der Universität Leipzig am Beispiel von Buche und Ahorn gezeigt haben (Functional Ecology).

Der Sensibilität der Bäume kamen die Biologen mit Experimenten in einem Auwald nahe Leipzig auf die Spur. Dort knipsten Ohse und ihre Kollegen jungen Bäumen Blätter oder Knospen ab. Eine Vergleichsgruppe behandelten sie ebenso, nur tröpfelten die Forscher diesen Bäumen zusätzlich Rehspeichel auf die Schnittflächen und simulierten so Fraßschäden. Als Reaktion auf die Verletzungen produzierten die Bäume beider Gruppen unter anderem Zytokinine. Das sind Wachstumshormone, die viele Pflanzen nach Verwundungen herstellen, um die Schäden durch beschleunigtes Wachstum auszugleichen. Daher überraschte diese Reaktion allein nicht. Doch erstaunlich waren die Unterschiede im Ausmaß der Zytokinin-Produktion: Bei den Bäumen in der Rehspeichel-Gruppen stieg die Konzentration dieser Stoffe deutlich stärker. Besonders fiel dies in den Buchenknospen auf. Offenbar enthält der Rehspeichel eine - noch nicht identifizierte - Substanz, die zumindest manche Pflanzen zu einer besonders heftigen Reaktion veranlasste.

Wenn ein Reh an einem Ahorn knabbert, wehrt sich der Baum mithilfe von Gerbstoffen

Dass es Bäume nicht kalt lässt, wenn Tiere an ihnen fressen, ist aus zahlreichen Versuchen mit Insekten bekannt. Auch auf gefräßige Käfer und Raupen reagieren viele Pflanzen mit der Produktion von Wachstumshormonen. Wie Buche, Ahorn und Co. auf den Verbiss durch Säugetiere reagieren, ist hingegen weit weniger gut untersucht. Zu ähnlichen Resultaten wie die Leipziger Gruppe kam vor einigen Jahren auch die Biologin Tuulikki Rooke in Versuchen mit Ziegenspeichel. Während ihrer Zeit an der schwedischen Universität Umea hatte Rooke untersucht, wie eine afrikanische Baumart Fraßschäden durch Ziegen ausgleicht. Auch sie stellte fest, dass die Bäume nach simuliertem Ziegenverbiss stärker wachsen als nach einem rein mechanischen Schaden.

Aus evolutionärer Sicht erscheint das sinnvoll. Wo es ihnen einmal geschmeckt hat, dorthin kehren Rehe und Ziegen gerne für weitere Mahlzeiten zurück. Und bis etwa ein Ahorn so groß gewachsen ist, dass seine Blätter und Knospen außerhalb der Reichweite von Rehen liegen, vergehen viele Jahre. Also empfiehlt es sich für den Baum, frühzeitig Verteidigungs- oder Kompensationsmechanismen zu aktivieren.

Möglicherweise setzen dabei verschiedene Arten auf unterschiedliche Strategien. Erste Hinweise darauf lassen sich aus den Versuchen im Leipziger Auwald ablesen. Während die Zytokinin-Produktion vor allem in den Buchenknospen stieg, reagierten Ahornblätter hingegen mit einem erhöhten Spiegel von Tanninen auf den simulierten Rehverbiss. Tannine sind Gerbstoffe, die im Übermaß unangenehm schmecken. "Aus dem Vergleich von nur zwei Arten können wir aber noch nichts ableiten", sagt Bettina Ohse. Deshalb arbeitet sie zur Zeit an einem Experiment mit 24 verschiedenen Baumspezies. Wer weiß, vielleicht wird sich dabei ausgerechnet die "stolze Eiche" als besonders empfindsam erweisen.

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