Das Leben als Blutsauger ist kurz und gefährlich. Der Mensch mag sie verachten, die umherschwirrenden Schmarotzer, die sich an seinem Lebenssaft laben. Doch wer sich einmal in die Lage der Moskitos versetzt, der muss die Waghalsigkeit des Projekts Blutsaugen zweifellos anerkennen.
Wer traut sich schon, sich mächtige Feinde zu machen, indem er Lebewesen aussaugt, die im Vergleich zum eigenen, grazilen Körperbau riesenhafte Schwergewichte sind? Jederzeit kann ein flinker Schlag die schmackhafte Mahlzeit und gleich auch das Leben eines Moskitos jäh beenden. Und im Vergleich zum Nuckeln an wohlriechenden Blütenkelchen geht das Blutsaugen noch mit weiteren Gefahren einher, von denen sich kaum jemand, der sich über lästige Mücken und ihre juckenden Stiche ärgert, je einen Begriff macht.
Wer anderer Leute Blut trinkt, der muss nicht nur mit deren unangenehmem Körpergeruch und unberechenbaren Bewegungen klarkommen. Besonders riskant ist es auch, dass jene Wesen, deren Adern mit dem nahrhaften roten Saft gefüllt sind, eine für Mücken unerträglich hohe Körpertemperatur haben - ein Umstand, den Insektenforscher bislang meist ignoriert haben.
Nicht so David Denlinger. Der Professor für Evolution und Ökologie von der Ohio State University ist fasziniert von den Strategien, welche die Mücken entwickelt haben, um den Saft anderer Wesen zu ernten. Jetzt hat er sich den Effekt der warmen Mahlzeit auf die Blutsauger genauer angesehen. "Nach dem Stich steigt die Körpertemperatur von Moskitos dramatisch an", sagt Denlinger. Binnen einer Minute heize das Blut die Mücken von kühlen 22 Grad auf 32 Grad Celsius auf. Ein solch drastischer Anstieg der Körpertemperatur wurde noch bei keinem anderen Wesen festgestellt.
Wie die Mücken die plötzliche Hitzewallung verkraften, wollte Denlinger genauer wissen - und kann nun eine Antwort präsentieren. Offenbar produzieren die Insekten nach ihrer Blutmahlzeit eine Unmenge an Hitzeschockproteinen, die dem wärmebedingten Stress entgegensteuern ( Proceedings of the National Academy of Sciences, online).
"Hitzeschockproteine sind in einer Vielzahl von Stressantworten des Körpers wichtig", erläutert Denlinger. "Auch unser Körper stellt sie her, wenn wir Fieber haben." Sie stabilisieren Enzyme und andere Eiweiße, damit diese trotz der ungewohnten Temperaturen ihre Aufgaben ausführen können. Offenbar helfen die Hitzeschockproteine den Mücken auch bei der Verdauung ihrer schweren Blutmahlzeit. Denn wenn die Forscher die Produktion gentechnisch blockierten, brauchten die Insekten länger, um ihre Beute zu verwerten - und legten danach weniger Eier.
Damit sie den Bauch voll Blut verdauen können, haben die Mücken noch weitere vampirspezifische Strategien entwickelt. Denn mitunter saugen sie das Zwei- bis Dreifache ihres eigenen Körpergewichts an Blut ein. Schnell müssen sie diesen Ballast durch ein speziell entwickeltes Verdauungssystem mit feinen Kanälchen eindicken und das Wasser loswerden, damit sie wieder flug- und manövrierfähig werden.
Mit dem nahrhaften Blut ihrer Opfer aber schlürfen die Mücken auch Fremdkörper ein, die mitunter eine immunologische Herausforderung sind. Müssen sie sich doch mit ihrem Rüssel durch eine Haut voller Bakterien bohren; und die Krankheitserreger, die viele Mücken bei ihren Blutmahlzeiten übertragen, brüten sie zum Teil auch selber aus. So finden manche der Vermehrungszyklen des Malariaerregers noch im Körper der Moskitos statt. Daran aber haben sich die Insekten offenbar gewöhnt.
"Man könnte meinen, die Erreger schwächen die Mücken, aber die scheinen sogar besonders stechaktiv zu werden, wenn sie infiziert sind", sagt Martin Geier von der Arbeitsgruppe Stechmücken der Universität Regensburg. Wahrscheinlich sind jene Tiere, die sich von den Krankheitskeimen etwas anhaben lassen, längst ausgestorben.
"Das Blutsaugen hat sich für die Mücken im Laufe der Evolution offenbar trotz allen Aufwands und aller Risiken ausgezahlt", sagt Pie Müller vom Schweizerischen Tropeninstitut. Blut sei sehr eiweißreich, die Mückenweibchen nutzten es vor der Eiablage, um besonders gut versorgte Eier zu produzieren.
Außerhalb dieser Zeit ernähren sich weibliche Mücken dagegen von wehrlosem Blüten- oder Pflanzensaft - ebenso wie ihre männlichen Artgenossen, die Mensch und Tier niemals zusetzen.
Mit Hilfe des Blutes entwickeln sich die Eigelege sehr schnell, ergänzt Martin Geier. Auf diese Weise könnten sich Mücken siebenmal im Jahr fortpflanzen - das schafft eine gewaltige Zahl an Nachkommen, die die riskante Jagd nach Blut lohnend macht.
Wessen Blut die Insekten saugen, ist dabei eigentlich egal. "Wenn Mücken künstlich ernährt werden, kommen sie mit dem Blut zahlreicher Wirte aus", weiß Martin Geier. Weshalb sind sie dann trotzdem meist auf wenige Opfer spezialisiert? Wahrscheinlich rettet ihnen das Wissen über ihre bevorzugten Blutspender schlicht und ergreifend das Leben.
"Es ist ja nicht nur der Mensch mit seinen Händen, der sich erfolgreich gegen Mücken wehren kann", sagt Geier. Wenn ein Moskito von einem Pferdeschweif erwischt wird, kann ihn das zerfetzen, selbst das Ohrenschlackern einer Kuh ist für den kleinen Blutsauger bedrohlich. "Wir wollten im Labor einmal einen Test mit Stechmücken bei Ratten machen, aber das ging nicht", erzählt Geier. "Eine einzige Laborratte hatte ruckzuck aus zehn Stechmücken drei gemacht."
Bei vertrauten Opfern wissen Mücken dagegen genau, an welchen Stellen sie ihre Mahlzeit am besten überleben - auf der menschlichen Wade zum Beispiel, im Rücken oder am Ellbogen.
Wenige Tage nach ihrer Blutmahlzeit bekommt die Mücke den Lohn ihrer lebensgefährlichen Attacke: Sie legt zwischen 50 und 750 Eier ab. Schon zwei Wochen später macht sich dann eine neue Generation geschlechtsreifer Blutsauger zielsicher auf zum Volltanken. Wer Blut saugt, wird vielleicht erschlagen. Ungeschlagen aber ist die Zahl seiner Nachfahren.