Biorhythmus und Leistungskurve:"Wir müssen von der Tageszeit wegkommen"

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  • Die Leistungsfähigkeit kann im Tagesverlauf um rund ein Viertel schwanken, berichten britische Forscher.
  • Diesen Effekt konnten sie auch bei Leistungssportlern nachweisen.
  • Manche Wissenschaftler fordern daher, sich stärker nach der eigenen Leistungskurve zu richten.

Von Werner Bartens

Jeder hat eine unterschiedliche Tageszeit, zu der er in Topform ist. Wann der beste Moment zum Bäume ausreißen gekommen ist, hängt vom individuellen Biorhythmus ab, wenige Stunden können da viel ausmachen. Im Sport kann die richtige Startzeit sogar den Ausschlag geben für Sieg oder Niederlage, Finaleinzug oder Heimreise. Zu diesem Ergebnis kommen Biowissenschaftler aus Birmingham im Fachmagazin Current Biology (online) von diesem Freitag. Um immerhin ein Viertel kann die Leistungsfähigkeit im Tagesverlauf demnach schwanken.

"Wenn nur ein Prozent Unterschied im 100-Meter-Lauf die Differenz zwischen dem ersten und dem vierten Platz bedeutet und über die Goldmedaille entscheidet, was machen dann jene 26 Prozent aus, die wir in unserer Untersuchung beobachtet haben", sagt Roland Brandstaetter, der mit Elise Facer-Childs die Studie geleitet hat. "Wir müssen von der Tageszeit wegkommen und mehr auf innere Zeitrhythmen achten."

Bisher haben Forscher angenommen, dass der Abend für Sportler die beste Zeit für optimale Leistungen ist. Doch auch unter Athleten gibt es Eulen und Lerchen, Nachtschwärmer und Frühaufsteher. Das Forscher-Duo hat daher 121 Leistungssportler untersucht und ihren Schlafvorlieben entsprechend dem frühen, mittleren und späten Typus zugeordnet. Mit Fitness- und Belastungstests wurde das Leistungsvermögen zu sechs verschiedenen Tageszeiten ermittelt.

"Manche Kollegen spricht man um neun Uhr besser noch nicht an"

Der Leistungshöhepunkt hing davon ab, wie lang die Athleten bereits wach waren. Frühaufsteher, die um sieben Uhr aufstanden, waren fünf Stunden später, also um zwölf, in Topform. Wer zur mittleren Gruppe gehörte und gegen halb neun aus den Federn kroch, war von 15 bis 16 Uhr am fittesten. Langschläfer, die bis zehn Uhr schlummerten, brauchten zehn wache Stunden und erreichten erst gegen 20 Uhr ihr Optimum. "Es geht nicht um die Uhr an der Wand, sondern um die Uhr in uns", sagt Facer-Childs. "Training ist eine Sache, aber man muss auch wissen, wann man die beste Leistung hinbekommt."

Jürgen Zulley überraschen die Ergebnisse wenig. "Das kennen wir auch von der Allgemeinbevölkerung, dass die Leistungsunterschiede im Tagesverlauf groß sind, objektiv wie subjektiv", sagt der Regensburger Schlafforscher. "Manche Kollegen spricht man ja um neun Uhr besser noch nicht an, sondern wartet lieber bis zum Nachmittag."

Die meisten Menschen erreichen ihren Gipfel der Leistungsfähigkeit morgens gegen zehn Uhr und nachmittags zwischen 16 und 18 Uhr, wobei morgens die Konzentrationsfähigkeit und nachmittags das körperliche Potenzial am größten sind. Bei den Morgentypen ist der Rhythmus entsprechend nach vorne verschoben, sodass sie in der Mittagszeit am fittesten sind, bei Abendtypen verschiebt sich alles nach hinten, vor 19 Uhr sollten sie nicht an Wettkämpfen teilnehmen.

"Wenn möglich, sollte jeder versuchen, den Tageablauf so einzuteilen, dass die Tätigkeit zur Leistungskurve passt", empfiehlt Zulley. Der Joggingrunde im Morgengrauen kann er deshalb wenig abgewinnen. "Der Kreislauf ist um diese Zeit noch nicht in Schwung und es ist schon ein Erfolg, das Bad oder den Frühstückstisch zu erreichen."

© SZ vom 30.01.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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