Bioreaktoren:Alternative Algen-Sprit

Sie sind winzig, doch ihr Potential als Lieferant von Öl und Wasserstoff ist groß. Deshalb arbeiten Wissenschaftler und Unternehmen weltweit daran, Algen zur Energiegewinnung einzuspannen.

Markus C. Schulte von Drach

Die Idee, mit Hilfe von Algen Energie zu gewinnen, ist bestechend. Schließlich betreiben die winzigen Lebewesen Photosynthese und verwandeln Kohlendioxid in Sauerstoff. Das Öl, welches sie dabei produzieren, macht einen Großteil ihrer Masse aus - und daraus lässt sich Treibstoff gewinnen.

Bioreaktoren: Algen zur Bio-Ölproduktion werden in Tanks, Plastikbeuteln und - wie hier - in Zylindern gezüchtet.

Algen zur Bio-Ölproduktion werden in Tanks, Plastikbeuteln und - wie hier - in Zylindern gezüchtet.

(Foto: Foto: Bio Fuel Systems)

Die Kleinstlebewesen wachsen schnell und benötigen dazu keinen fruchtbaren Boden, sondern gedeihen sogar in Dreck- und Salzwasser. Auch ist der Einsatz von Pestiziden oder Düngern unnötig. Angewiesen sind Algen neben Wasser vor allem auf zwei Dinge: Kohlendioxid und Sonnenlicht, wenn sie in Becken gezüchtet werden; alternativ zur Sonnenenergie lässt sich auch Zucker einsetzen, wenn die Organismen in geschlossenen Tanks wachsen.

Deshalb wurde bereits vor Jahrzehnten begonnen, das Potential der Mikroorganismen als Energiequelle zu prüfen.

Aufgeschreckt durch die Ölkrise in den siebziger Jahren untersuchte etwa das US-Energieministerium von 1978 bis 1996, welche Möglichkeiten Algen bieten. Die Forscher des National Renewable Energy Laboratory (NREL) kamen damals allerdings zu dem Schluss, dass die Ölgewinnung aus Algen zu unwirtschaftlich sei - im Vergleich zu den fossilen Brennstoffen. Damals lag der Preis für ein Barrel Öl bei weniger als 20 Dollar. Inzwischen sind es mehr als 100 Dollar pro Barrel. Und damit werden die Mikroorganismen als alternative Energiequelle wieder hochinteressant.

Große Vorteile gegenüber Raps, Mais oder Palmöl

Schließlich weisen sie eine ganze Reihe deutlicher Vorteile gegenüber anderen Organismen auf, mit denen derzeit Biodiesel gewonnen wird. Im Gegensatz etwa zu Raps, Mais oder Palmen sind sie extrem genügsam und brauchen wenig Platz. So lassen sich aus einem Hektar Raps etwa 1800 Liter Biodiesel pro Jahr gewinnen, aus Palmen können es etwa 6000 Liter sein. Mit den Algen sind 10.000 bis 25.000 Liter möglich, manche Fachleute halten sogar noch erheblich mehr für möglich.

Doch welche Erträge sich tatsächlich realisieren lassen und wie wirtschaftlich die Bioreaktoren arbeiten, ist noch unklar. So hatte das National Renewable Energy Laboratory (NREL) 1996 berechnet, dass eine Fläche von fast vier Millionen Hektar (40.000 km²) mit Algentanks bedeckt sein müsste, um die Transportsysteme der Vereinigten Staaten zu versorgen. Die Produktion der notwendigen 140.000 Liter Biosprit pro Hektar jährlich wäre damals doppelt so teuer gewesen wie die Versorgung mit Treibstoff aus Öl.

Wie Michael Briggs von der University of New Hampshire festgestellt hat, würde es heute etwa 300 Milliarden Dollar kosten, in den USA Algenfarmen aufzubauen, um genug Biodiesel zu produzieren. Und weitere 46 Milliarden Dollar müssten jährlich für den Betrieb investiert werden. Das klingt teuer. Auf der anderen Seite zahlen die Vereinigten Staaten jährlich zwischen 100 und 150 Milliarden Dollar allein für Ölimporte aus anderen Ländern.

Für Deutschland gibt es Schätzungen, dass Algen auf zwei Prozent der gesamten Ackerfläche gezüchtet werden müssten, um den jährlichen Dieselbedarf zu decken. Um dieses Ziel zu erreichen, müsste man Raps auf einer Fläche anbauen, die in Deutschland gar nicht zur Verfügung steht.

Plastiksäcke, Zylinder oder Tanks

Deshalb setzen immer mehr Unternehmen auf die Algen. Ausgerechnet in Texas, dem US-Bundesstaat, der vor allen anderen für die Ölgewinnung in den Vereinigten Staaten steht, haben zum Beispiel die Unternehmen Global Green Solutions und Valcent Products Inc. 2007 eine außergewöhnliche Demonstrationsanlage in Betrieb: den Algen-Bioreaktor Vertigro.

Die Firmen sind überzeugt davon, auf dem richtigen Weg zu sein. Besonders weil sie keine Algen-Teiche anlegen. In El Paso wachsen die Organismen in riesigen, transparenten Plastiksäcken, die in einem Gewächshaus aufgehängt sind. Die Fläche dieser vertikalen "Teiche", die von der Sonne bestrahlt werden, ist erheblich größer als bei normalen Wassertanks.

Alternative Algen-Sprit

Etwa vier Millionen Barrel Algenöl sollen hier einmal jährlich produziert werden - und dabei etwa 2,7 Millionen Tonnen Kohlendioxid verbrauchen, die erst bei der Verbrennung des Öls wieder in die Atmosphäre gelangen. Und pro Barrel soll das Öl lediglich 20 Dollar kosten. Inzwischen planen die Firmen zusammen mit dem Unternehmen SGCEnergia aus Portugal eine Mikroalgen-Pilotanlage für Biodiesel in der Nähe von Lissabon.

Ebenfalls seit 2007 betreibt das spanische Biotech-Unternehmen Bio Fuel Systems in der Region Alicante die erste industrielle Anlage weltweit zur Algenöl-Produktion. Nach eigenen Angaben setzt die Firma neben der Photosynthese elektromagnetische Felder ein, um die Produktion ihrer Algen in drei Meter hohen Plastikzylindern anzukurbeln. Das Ergebnis ist nicht Biodiesel, wie Unternehmens-Chef Bernard Stroiazzo-Mougin erklärte, sondern Bio-Petroleum, aus dem sich wie aus fossilem Rohöl verschiedene Derivate herstellen lassen sollen.

Auf eine andere Technik setzt das Unternehmen Solazyme in Kalifornien, das vom amerikanischen National Institute of Standards and Technology (NIST) unterstützt wird. Hier werden die Algen in geschlossenen, lichtlosen Tanks gezüchtet. Photosynthese ist demnach nicht möglich. Dafür werden die Organismen mit Zucker versorgt und stellen nun Öl in größeren Mengen her als in Tanks. Der Nachteil: Der Zucker für die Algen wird aus zellulosehaltiger Biomasse hergestellt. Und dieser Prozess kostet Geld.

Dafür nutzen die Kalifornier jedoch genetisch veränderte Algenstämme, die unterschiedliche Rohölsorten produzieren. Diese sollen dann zu verschiedenen Treibstoffen wie Diesel oder Flugbenzin weiterverarbeitet werden.

Inzwischen ist Algen-Treibstoff auch für die US-Regierung wieder ein Thema, wie man Bushs Gesetz zur Sicherheit und Unabhängigkeit der Energieversorgung der USA aus dem vergangenen Jahr entnehmen kann. Selbst der Öl-Gigant Shell plant eine Pilotanlage zur Herstellung von Treibstoff aus Algen in Salzwassertanks auf Hawaii. Doch bis wir tatsächlich Algen-Treibstoff tanken können, wird es noch eine Weile dauern.

Alternative Algen-Sprit

Die Produktion von Öl ist jedoch nicht die einzige Möglichkeit, Algen zur Energiegewinnung zu nutzen. Als einer der Energieträger der Zukunft gilt Wasserstoff, H2, der in Brennstoffzellen eingesetzt wird. Derzeit wird Wasserstoff durch eine sogenannte Elektrolyse aus Wasser gewonnen. Dazu aber braucht man Strom, was dem Prinzip der regenerativen Energiegewinnung widerspricht, wenn man diesen zum Beispiel in Kohlekraftwerken erzeugt.

Wird aber bestimmten Grünalgen Schwefel als Nährstoff vorenthalten, so produzieren sie ebenfalls Wasserstoff. Forschern der Universität Bielefeld ist es zusammen mit australischen Kollegen bereits vor längerer Zeit gelungen, Grünalgen gentechnisch so zu manipulieren, dass sie besonders viel Bio-H2 produzieren.

In Bielefeld arbeiten die Wissenschaftler weiter daran, Wasserstoff mit Hilfe eines Bioreaktors im großen Stil zu gewinnen - der noch dazu Kohlendioxid aus der Atmosphäre verarbeiten soll. Andere Forscher wollen mit Hilfe der Wasserstoff produzierenden Algen-Enzyme kleinere Biobatterien entwickeln.

Algen als Kohlendioxid-Falle

Doch die Produktion von Bio-H2 mit Hilfe von Algen ist noch Zukunftsmusik. Ebenfalls ganz am Anfang stehen Versuche, mit Hilfe von Algen Kohlendioxid aus Kraftwerksabgasen zu binden und sinnvoll zu verwerten.

Auf diese Weise, so hoffen einige Stromkonzerne, könnten sie an ihren Kohlekraftwerken festhalten und zugleich die klimaschädlichen CO2-Emissionen senken. Um die Möglichkeit zu testen, haben sich Forschungsinstitute und Unternehmen mit der Stadt Hamburg zusammengetan und auf dem Gelände des Erdgasspeichers Reitbrook/Hamburg von Eon Hanse Bioreaktoren installiert, in denen sie Algen züchten. Die kleinen Organismen sollen über die Abgase eines Blockheizkraftwerks mit Kohlendioxid versorgt werden.

Wissenschaftler des Konsortiums mit dem Namen "Technologie zur Erschließung der Ressource Mikroalge" (TERM) hatten zuvor im Labor festgestellt, dass ihre Kulturen auf einer Fläche von einem Hektar jährlich bis zu 450 Tonnen Kohlendioxid aufnehmen und daraus 150 Tonnen Biomasse zur Biodieselproduktion herstellen können.

Problematisch sind allerdings die riesigen Kohlendioxidmengen, die von Kohlekraftwerken abgegeben werden. Der Flächenbedarf der Algen in der Umgebung der Kraftwerke wäre riesig, Installation und Betrieb der Bioreaktoren immens teuer. Allein eine Tonne Kohlendioxid auf diese Weise einzufangen, würde immerhin etwa 36 Euro kosten, schätzt man bei TERM.

Da ist es leider immer noch billiger, sich am Emissionshandel zu beteiligen und für eine in die Atmosphäre geblasene Tonne Kohlendioxid knapp 25 Euro zu bezahlen. Für diesen Preis werden derzeit die Zertifikate an der Leipziger Strombörse gehandelt. Und ob, wann und wie stark die Preise für die Abgase noch steigen werden, ist unklar.

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