Süddeutsche Zeitung

Biophysik:Spinnennetze trotzen sogar dem Hurrikan

Spinnenfäden sind enorm reißfest. Doch diese Eigenschaft ist nicht allein entscheidend dafür, dass Spinnennetze intakt bleiben, selbst wenn sich eine schwere Beute darin verfängt oder starker Wind weht.

Katrin Blawat

Was macht ein Spinnennetz stabil? Seine Struktur, schreiben nun Forscher in Nature (Bd. 482, S. 72, 2012). Die Antwort klingt zwar banal, ist für die Spinnennetzforschung aber eine bedeutende Erkenntnis.

Lange konzentrierten sich Wissenschaftler nämlich nur auf die enorm reißfesten und stabilen Seidenproteine selbst. Als diese bis in den Nanomaßstab hinein untersucht waren, zeigte sich: Die einzelnen Moleküle sind nicht allein entscheidend. Vielmehr versteht es eine Spinne ihr Netz so zu bauen, dass das Gebilde als Ganzes intakt bleibt, auch wenn die Fäden an einer kleinen Stelle reißen, etwa durch zu schwere Beute oder heftigen Wind.

Ein kleiner Teil des Netzes wird geopfert, damit der Rest funktionsfähig bleibt. Das sei eine kluge Taktik, schreiben die Autoren um Steven Cranford vom Massachusetts Institute of Technology in Cambridge. Das Konzept der sogenannten selektiven Brüche ist in der Natur bisherigem Wissen nach ungewöhnlich. In Knochen etwa, die auch stabilisieren müssen, würden Belastungen eher über die ganze Fläche verteilt, so die Autoren.

Um Gewicht zu sparen, enthalten Knochen kein Gewebe, das sie bei starker Belastung opfern könnten, wie es im Spinnennetz passiert. Sogar einem Hurrikan kann ein solches Gebilde theoretisch standhalten, ermittelten die Forscher in Computersimulationen.

Wie stark ein Netz unter Belastung seine Form ändert, hängt auch davon ab, welche der Fäden besonders betroffen sind. Belastet eine schwere Beute vor allem die spiralförmig angeordneten Fäden, verformt sich das Netz vergleichsweise stark. Die Seide dieser Filamente ist dehnbar, feucht und klebrig. Jene Fäden hingegen, die strahlförmig nach außen verlaufen und das Netz wesentlich stabilisieren, bestehen aus steifer, trockener Seide.

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Quelle:
SZ vom 02.02.2012/mcs
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