Süddeutsche Zeitung

Biologie:Tintenfische steuern Bakterien-Tarnkappe

Leuchtende Bakterien beschützen einen hawaiianischen Tintenfisch vor Feinden. Die Helligkeit der Tarnkappe regulieren die Tiere selbst.

Von Larissa Tetsch

In den flachen Gewässern vor der Küste Hawaiis lebt ein faszinierendes Wesen: ein nur etwa fünf Zentimeter großer, leuchtender Tintenfisch. Tagsüber hält sich die Hawaiianische Stummelschwanzsepie (Euprymna scolopes) im Meeresboden versteckt. Dabei perfektioniert sie ihre Tarnung, indem sie mit Hilfe eines Sekrets kleine Steinchen auf ihren Rücken klebt. Nachts geht das hoch entwickelte Tier auf Jagd nach Krebstieren.

Um dabei nicht selbst gefressen zu werden, hat der Tintenfisch einen Trick: Seine Bauchseite sendet aktiv Licht aus. Dadurch lösen sich die Konturen des Tiers vor dem Hintergrund des im Vergleich zum Meeresgrund auch nachts helleren Himmels gleichsam auf. Um seine Tarnung perfekt an die Intensität des einfallendes Mond- und Sternenlichts anzupassen, kann der Tintenfisch die Stärke seiner Beleuchtung variieren. Margaret McFall-Ngai, Leiterin des Pacific Biosciences Research Center an der University of Hawaiʻi at Mānoa, die die Stummelschwanzsepie seit mehr als 25 Jahren erforscht, spricht von einer Tarnkappe.

Um das Licht erzeugen zu können, halten sich die Tintenfische "Haustiere": Leuchtbakterien der Art Vibrio fischeri, die sie in einem speziellen Leuchtorgan beherbergen und mit denen sie so eng vergesellschaftet sind, dass noch nie eine Stummelschwanzsepie in freier Natur ohne sie gefunden wurde. Sowohl der Tintenfisch als auch die Bakterien profitieren von dieser Symbiose.

Der Tintenfisch kontrolliert den Lichtschalter

Allerdings ist die Abhängigkeit unterschiedlich groß. Die Bakterien, die auch frei im Wasser oder auf den Panzern kleiner Krebse leben, kommen auch gut ohne den Tintenfisch zurecht. Die Stummelschwanzsepie dagegen ist auf die Leuchtbakterien angewiesen. Verhindert man im Labor die Aufnahme der Mikroorganismen in das Leuchtorgan frisch geschlüpfter Tintenfische, so kann sich dieses nicht richtig entwickeln. Das Tier tut deshalb viel dafür, dass die Bakterien in sein Leuchtorgan einziehen und sich dort wohl fühlen. Es bietet ihnen Schutz und ausreichend Nährstoffe für ein ungestörtes Wachstum. Dabei unterscheidet der Tintenfisch sehr genau zwischen seinen Symbionten und allen anderen Bakterien, die nicht im Leuchtorgan Fuß fassen können. Dies wird durch ein intensives Zwiegespräch, eine Art Verhandlung zwischen ihm und den Leuchtbakterien ermöglicht.

Da sich die Stummelschwanzsepie erst im Dunklen auf die für sie gefährliche Jagd begibt, würde es keinen Sinn machen, wenn die Bakterien auch tagsüber leuchten, während sich das Tier versteckt hält. Tatsächlich senden die Mikroorganismen nur nachts Licht aus. Neusten Erkenntnissen zufolge ist es der Tintenfisch, der das An- und Abschalten steuert. Die Biolumineszenz, der Prozess des Leuchtens, ist nämlich stark sauerstoffabhängig.

Eine bessere Sauerstoffversorgung verbessert demnach die Lichtproduktion. Der Tintenfisch macht sich das zunutze, indem er abends und nachts die Bedingungen im Leuchtorgan so verändert, dass sie optimal für die Biolumineszenz sind. Er füttert die Bakterien mit Zuckermolekülen. Die Mikroorganismen bilden daraufhin Säuren, die sie an die Umgebung abgeben, was den PH-Wert des Leuchtorgans verändert. Das führt dazu, dass der Blutfarbstoff des Tintenfischs mehr Sauerstoff abgibt: Die Bakterien leuchten stärker

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2835139
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 27.01.2016/chrb
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.