Biologie:Stinkender Teppich

Algenplage in der Karibik

Gewaltiges Ausmaß: Die diesjährige Algenplage in Atlantik und Karibik.

(Foto: dpa)

Der weltgrößte Algenteppich erstreckt sich über 8850 Kilometer. Meeresforscher blicken mit Sorge auf die Algenplage im Atlantik.

Von Christoph von Eichhorn

Wer derzeit in die Karibik reist, kann statt Urlaubsidylle eine stinkende Überraschung erleben. An etlichen Stränden in Südflorida, der Dominikanischen Republik, Jamaika und weiteren Ländern türmen sich Braunalgen der Art Sargassum und verströmen den Duft von faulen Eiern. Allein in Mexiko sollen rund 1000 Kilometer Küste betroffen sein. Präsident Andrés Manuel López Obrador rief die Armee dazu auf, die Algen mit Booten einzusammeln.

Wie US-Meeresbiologen nun im Fachmagazin Science berichten, handelt es sich nicht um lokale Phänomene, sondern um den größten Algenteppich, der jemals beobachtet wurde. Die Braunalgen bedeckten den Atlantik demnach im vergangenen Jahr auf einer Länge von 8850 Kilometern, von der Karibik bis nach Westafrika. Die Forscher um Chuanmin Hu von der University of South Florida sprechen vom "Großen atlantischen Sargassum-Gürtel".

Der Analyse zufolge tritt das Phänomen erst seit dem Jahr 2011 auf. Seither sei mit Ausnahme von 2013 in jedem Sommer eine massive Algenblüte aufgetreten. Das zeigen Satelliten-Bilder. Im vergangenen sowie in diesem Jahr trifft es die karibischen Staaten besonders hart, Barbados erklärte die Algenplage 2018 sogar zum nationalen Notstand. Die Forscher schätzen das Gesamtgewicht der Braunalgen auf 20 Millionen Tonnen.

Ungewöhnlich ist neben dem Ausmaß vor allem das Gebiet der Algenblüte. Ursprünglich waren die Braunalgen eher nördlich der Karibik verbreitet, inmitten des Ozeans. Schon Christoph Kolumbus berichtete von Algenteppichen auf der Fahrt in die neue Welt. Als kleinere Inselchen im Meer stellen die Algen kein ökologisches Problem dar. Im Gegenteil: Sie bieten Fischen, Schildkröten und Vögeln Unterschlupf und Nahrung. Erst in der Masse wird Sargassum zum Problem. Sinken tote Algen zum Meeresgrund ab, können sie Korallen und Seegras ersticken. An Land setzen verrottende Braunalgen Schwefelwasserstoff frei, was einen beißenden Geruch erzeugt - und Touristen abschreckt. "Die chemische Zusammensetzung des Meeres muss sich verändert haben, damit die Blüte derart außer Kontrolle geraten konnte", sagt Studienleiter Chuanmin Hu in einer Mitteilung seiner Universität. Ihre Nährstoffe beziehen die Braunalgen demnach zum einen im Winter vor der westafrikanischen Küste aus nährstoffreichen Wasserschichten, die dort an die Oberfläche kommen. Zum anderen kämen die Nährstoffe für die Algenblüte im Frühling und Sommer aus der Amazonasmündung.

Die Wissenschaftler vermuten, dass durch Abholzung und den gesteigerten Einsatz von Kunstdünger in der Landwirtschaft zuletzt mehr Nährstoffe in den Atlantik gelangt sind. Dies belegten Daten zum Düngerverbrauch in Brasilien. Die Schlussfolgerungen seien allerdings noch vorläufig, betonen die Forscher in Science.

Die entscheidende Frage ist nun, ob die Algen zur jährlichen Plage werden. Ausgehend von Daten der letzten 20 Jahre hält der Meereskundler Hu das für "sehr wahrscheinlich".

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