Süddeutsche Zeitung

Biologie:Pioniergeist unter Bienen

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Manche Bienen erkunden entdeckungsfreudig neue Futterquellen und Lebensräume, andere halten sich da lieber zurück, berichten US-Forscher. Und diese Unterschiede im Charakter der Bienen sind genetisch verankert.

Thomas Wagner

Unter den Mitgliedern eines Bienenstaates gibt es entdeckungsfreudige Pioniere ebenso wie Artgenossen, die das Erkunden neuer Futterquellen und Lebensräume lieber anderen überlassen.

Diese Unterschiede im Charakter einer Biene sind genetisch verankert, wie ein Team um den Biologen Gene Robinson von der Universität Illinois ermittelt hat ( Science, Bd. 335, S. 1225, 2012).

In jedem Bienenstaat leben Tiere, die vor allen anderen losfliegen und neue Nist- und Futterplätze suchen. Werden diese sogenannten Kundschafterinnen fündig, informieren sie die anderen Bienen mit Hilfe eines Bienentanzes.

Um die Kundschafterinnen zu erkennen, ließen die Forscher die Bienen mehrmals zwischen einer vertrauten Futterquelle und einer weiteren, unbekannten Quelle wählen. Etwa ein Sechstel der getesteten Bienen waren Kundschafterinnen, die regelmäßig zu neuen Futterplätzen ausschwärmten.

Die Forscher untersuchten die Hirnfunktion dieser Pioniere und stellten deutliche Unterschiede zu den weniger entdeckungsfreudigen Artgenossen fest. So produzierten die Kundschafterinnen besonders viel Glutamat.

Dieser auch als Geschmacksverstärker bekannte Botenstoff scheint also den Erkundungstrieb zu fördern. Bekamen die Pionier-Bienen hingegen eine Substanz, die den Botenstoff Dopamin hemmt, unterdrückte dies den Drang nach Neuem. Derartige Hemmstoffe werden beim Menschen unter anderem zur Behandlung von Parkinson eingesetzt.

Die neurologischen Signalwege, die das Kundschafterverhalten bei Honigbienen fördern, gibt es auch beim Menschen. Und auch in Homo sapiens beeinflusst das Zusammenspiel von Glutamat und Dopamin Charaktereigenschaften, die mit dem Entdeckerdrang zu tun haben. Der Mechanismus sei bei Menschen und Bienen erstaunlich ähnlich, schreiben die Autoren.

Ob beide diese Eigenschaft von gemeinsamen Urvorfahren geerbt oder unabhängig voneinander entwickelt haben, ist unklar. Gut bekannt ist hingegen, dass auch viele andere Tiere wie Säuger, Fische und Vögel Unterschiede in ihrer Neigung zeigen, nach Neuem zu suchen. Bei Bienen oder anderen Insekten seien diese Variationen bislang aber noch nicht untersucht worden, so die Forscher.

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Quelle:
SZ vom 09.03.2012
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