Alltagsfragen:Nach der Henne das Ei

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Wo kommt das Ei her? Und wo die Henne? (Foto: Victoria Bonn-Meuser/dpa)

Seit Langem rätseln Menschen, ob zuerst das Huhn oder erst das Ei da war. Dabei lässt sich die Frage leicht klären.

Von Marlene Weiß

Ein feiner Unterschied zwischen Natur- und Geisteswissenschaften ist, dass erstere hartnäckig nach klaren Antworten suchen, wo letztere sich eher für die Fragen zu begeistern scheinen. Ein Beispiel dafür ist das Henne-Ei-Problem, mit dem man rätselfreudige Zeitgenossen lange beschäftigen kann: Was war zuerst da? Na, das Ei. Aber wer hat es gelegt? Also dann die Henne. Aber woraus ist die geschlüpft? Okay, doch das Ei. Und so weiter.

Dabei müsste sich die Frage doch mit den Werkzeugen guter Wissenschaft klar beantworten lassen - oder nicht? Die einschlägige Biologie-Literatur jedenfalls sagt Folgendes dazu: Eier hat die Evolution schon vor mehr als 300 Millionen Jahren hervorgebracht. Dank dieser Erfindung konnten die ersten Reptilien das Wasser verlassen, während Amphibien bis heute zur Fortpflanzung darauf angewiesen sind. Die ersten Vertreter der Gattung Gallus - Kammhühner - tauchten erst vor rund 50 Millionen Jahren in Südostasien auf. Domestiziert und damit zu Haushühnern wurden die Tiere erst vor rund 8000 Jahren, vielleicht auch noch später. Also war das Ei zuerst da.

Irgendwann in der Linie der Evolution paarten sich ein Fast-Hahn und eine Fast-Henne

Nun könnte man einwenden, dass es in der Henne-Ei-Frage nicht um das Ei im Allgemeinen, sondern um das Hühnerei im Besonderen gehe. Aber auch das lässt sich klären, beginnend mit einem Blick in den weisen Duden: Das Hühnerei ist per Definition das Ei des Haushuhns, also jenes Ei, das eine Henne legt.

An dieser Stelle muss man eine willkürliche Grenze ziehen. Geht es um das Haushuhn oder dessen Vorfahr, das Bankivahuhn? Oder um die ersten Hühnervögel überhaupt, die schon zur Zeit der Dinosaurier lebten und auf die alles vom Fasan bis zur Leghorn-Henne zurückgeht?

Egal, wie man sich entscheidet und wo man die Linie zwischen Schon-Huhn und Noch-Vorfahr zieht: Irgendwann in der Linie der Evolution paarten sich ein Fast-Hahn und eine Fast-Henne. Die DNA der beiden verschmolz, genetische Mutationen kamen hinzu, die Fast-Henne legte ein Fast-Hühnerei, und daraus schlüpfte - kracks - die erste echte Henne (und aus einem anderen Ei der erste Hahn). Erst in der nächsten Generation legte dann die Ur-Henne das erste echte Hühnerei: Also gab es erst die Henne, dann das Ei.

Übrigens hat die Biologie noch weitere faszinierende Fakten zu dem Thema zusammengetragen. Zum Beispiel gehören Hühner, genetisch betrachtet, zu den engsten heute lebenden Verwandten von Tyrannosaurus Rex, das berichteten Forscher 2008 in Science. Und dass Hühner es schaffen, innerhalb von 24 Stunden aus dem Nichts ein Ei mit stabiler Schale zu produzieren, ist einem einzigartigen Protein in ihren Eierstöcken zu verdanken. Erst die Henne, dann das Ei, das sei hiermit geklärt.

© SZ vom 29.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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