Artenschutz:Genetische Vielfalt von Tieren und Pflanzen geht alarmierend schnell verloren

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Die in den USA lebenden Präriehühner sind ein Beispiel für erfolgreichen Artenschutz. (Foto: GeraldDeBoer via imago-images.de/IMAGO/Depositphotos)

Mit dem Verlust genetischer Diversität werden Arten anfällig für Krankheiten und Umweltveränderungen, warnen Forscher. Doch einige Beispiele machen Hoffnung.

Von Tina Baier

Die gute Nachricht zuerst: Artenschutz funktioniert und lohnt sich. Und jetzt die schlechte: Überall auf der Welt geht die genetische Vielfalt von Tieren, Pflanzen und anderen Lebewesen zurück. Am stärksten betroffen sind Vögel und Säugetiere.

Das ist das Ergebnis einer großen Studie, die in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Nature erschienen ist. Ein internationales Team um die Genetikerin Catherine Grueber von der University of Sydney hat für die Untersuchung Daten über 628 Tiere, Pflanzen und Pilze ausgewertet, die von anderen Forschenden zwischen 1985 und 2019 gesammelt wurden. Das Ergebnis: Bei zwei Dritteln der untersuchten Spezies ist die genetische Diversität zurückgegangen. Und zwar auch bei solchen, die noch weitverbreitet und nicht vom Aussterben bedroht sind.

Genetische Vielfalt, also Unterschiede im Erbgut bei Individuen derselben Art, ist eine wichtige Voraussetzung für das Überleben einer Spezies. Die kleinen Unterschiede im Erbgut ermöglichen es Arten, sich an veränderte Umweltbedingungen anzupassen.

Bei manchen Korallenarten gibt es etwa Individuen, die aufgrund ihrer genetischen Ausstattung besser mit einem Anstieg der Meerestemperaturen zurechtkommen als ihre Artgenossen. Bei der nächsten Hitzewelle haben sie deshalb höhere Chancen zu überleben. Während empfindlichere Artgenossen ausbleichen und sterben, schaffen sie es aufgrund ihrer genetischen Ausstattung vielleicht sogar, sich zu vermehren. Ihre Nachkommen sind dann ebenfalls hitzeresistent, und das Überleben der Art ist gesichert.

Der Rückgang der genetischen Vielfalt, den die Forschenden festgestellt haben, bedeutet also, dass die betroffenen Lebewesen weniger widerstandsfähig sind und deshalb ein höheres Risiko haben auszusterben. Zu wissen, wie groß die genetische Vielfalt innerhalb einer Art ist, ermögliche eine Vorhersage, ob die Spezies in der Lage ist, Bedrohungen wie Krankheiten, Veränderungen des Lebensraums oder Naturkatastrophen zu überleben, schreiben die Studienautorinnen und -autoren in Nature.

Besonders schnell geht die genetische Diversität bei Arten zurück, von denen es nur noch wenige Individuen gibt. Dann paaren sich immer wieder Individuen mit ähnlicher genetischer Ausstattung, die im Extremfall sogar miteinander verwandt sind. Der Niedergang der Spezies wird dann durch den sogenannten Inzuchteffekt beschleunigt, bei dem sich schädliche Gene, etwa für Erbkrankheiten, anhäufen.

Der Kakapo in Neuseeland wurde erfolgreich aufgepäppelt. Trotzdem hat er ein Problem

Ein Beispiel dafür ist der Kakapo, ein grüner, flugunfähiger Papagei, der früher in Neuseeland weitverbreitet war. Das Tier war kurz vor dem Aussterben, es gab nur noch eine Handvoll der Tiere.  Artenschützer schafften es zwar, die Population wieder aufzupäppeln. Doch noch immer ist die genetische Diversität der Population äußerst niedrig, weil alle Tiere von den wenigen Überlebenden abstammen.

Grueber ist trotzdem optimistisch, dass Artenschutz den Schwund der genetischen Diversität aufhalten kann. „Es gibt einen Hoffnungsschimmer“, wird die Forscherin in einer Presseerklärung ihrer Universität zitiert. „Artenschutz kann dabei helfen, dass genetisch vielfältige Populationen entstehen, die für künftige Herausforderungen besser gewappnet sind.“

Nach Ansicht von David Nogués-Bravo und Carsten Rahbek, beide Ökologen an der Universität Kopenhagen, die einen Begleitkommentar in Nature geschrieben haben, muss man aber sehr genau hinschauen, welche Maßnahmen in welchem Fall sinnvoll sind. Arten, die zahlenmäßig noch nicht stark dezimiert sind, helfe es, Lebensräume wiederherzustellen und miteinander zu vernetzen sowie andere Ursachen für den Schwund zu bekämpfen.

Bei Spezies, von denen es nur noch wenige Individuen gibt, helfe dagegen unter Umständen nur noch eine oft extrem aufwendige  „Umsiedelung“: Um neue Gene in die Population zu bringen, werden dabei weit entfernt lebende Artgenossen eingefangen und in der bedrohten Population angesiedelt.

Auf diese Weise ist es zum Beispiel gelungen, die genetische Vielfalt und damit die Überlebenschancen des Präriehuhns wieder zu erhöhen. Die charismatischen Vögel, die in den USA leben, tanzen miteinander, bevor sie sich paaren. Dabei stampfen sie mit den Füßen auf den Boden, drehen sich im Kreis und verneigen sich voreinander.

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