Süddeutsche Zeitung

Bio-Kraftstoffe:Energiequellen mit nachwachsenden Problemen

Schon lange war eine Verknappung von Erdöl abzusehen. Doch der nachwachsende Bio-Kraftstoff für die Fahrzeugtanks galt zwar als Verheißung, stößt aber zunehmend auf Kritik.

Wolfgang Roth

Die Erdölpreise steigen seit Jahrzehnten, ein Ende ist nicht abzusehen. Fatih Birol, der Chefökonom der Internationalen Energie-Agentur (IEA) prognostiziert, bis zum Jahr 2015 könnten ungefähr 15 Prozent des globalen Bedarfs nicht mehr abgedeckt werden.

Die theoretisch ermittelten Vorräte in den Ölstaaten stehen auf dem Papier, entscheidend ist die tatsächliche Fördermenge, und die reicht nicht aus.

Angesichts der lange absehbaren Verknappung des endlichen Rohstoffs war der Einsatz nachwachsender Energiequellen zum Antrieb der Fahrzeuge eine Verheißung.

Realität wurde sie schon in den achtziger Jahren in Brasilien, wo Zuckerrohr seitdem in großem Maßstab zu Ethanol verarbeitet wird, das dem Benzin beigemischt wird oder in reiner Form in speziell ausgerüsteten Autos zum Einsatz kommt. Mittlerweile haben die USA nachgezogen, wo Erdöl nicht nur zum Fahrzeugantrieb, sondern auch zur Stromerzeugung eine treibende, aber immer teurere Kraft ist.

Tortilla-Krise in Mexiko

Deutschland hat die Biomasse als lange vernachlässigte, erneuerbare Energiequelle in den neunziger Jahren entdeckt. Die Potentiale der Wasserkraft sind weitgehend ausgereizt, Windanlagen zur Stromgewinnung bringen nun in erster Linie vor den Küsten der Nord- und Ostsee hohen Ertrag.

Der Landwirtschaft winkte mit dem Anbau von Energiepflanzen eine echte Alternative, weil die Erzeugerpreise für Lebensmittel auf dauerhaft niedrigem Niveau verharren. Seitdem erfreuen sich die Deutschen am Anblick wogender gelber Rapsfelder.

Die Verheißung hat in den letzten Jahren stark an Strahlkraft verloren, lange vor dem aktuellen Hickhack darüber, ob die von Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) und der EU angesteuerte Beimischungsquote mehr Autos als gedacht schaden kann. Frühe Mahner gegen den Biosprit saßen im Umweltbundesamt, das der heimischen Produktion kein gutes Zeugnis ausstellte.

Unter Einhaltung ökologisch verträglicher Standards, wurde vorgerechnet, könnte Deutschland auf der begrenzten Fläche höchstens bis zu vier Prozent seines Erdölbedarfs ersetzen. Dagegen bringe schon der Einsatz von Leichtlaufreifen und -ölen jeweils bis zu fünf Prozent Spriteinsparung.

Ein Kern der Kritik war auch die Sorge, der lukrative Gewinn aus Energiepflanzen gehe auf Kosten der Lebensmittelerzeugung in der Landwirtschaft. Als Beleg gilt die Tortilla-Krise in Mexiko, wo vor gut einem Jahr die Maispreise stark anstiegen.

Ursache war aber in erster Linie das Freihandelsabkommen Nafta, das den US-Bauern ermöglichte, mit subventioniertem Mais den mexikanischen Markt zu überschwemmen. Mit den Dumpingpreisen konnten die heimischen Landwirte nicht mithalten; als der Mais in den USA dann verstärkt zu Ethanol verarbeitet wurde, kam es im Nachbarland zur Verknappung.

Weil sich der Biosprit aber an den höheren Erdölpreisen ausrichten kann, spricht die marktwirtschaftliche Logik dafür, dass sich langfristig die Konkurrenz in der Nutzung fruchtbarer Flächen verschärft.

Ob Biosprit wirklich "Bio" ist, hängt stark von den Anbau- und Verarbeitungsmethoden ab. Wird in Indonesien Tropenwald für Palmöl-Plantagen abgeholzt, ist die Klimabilanz sogar negativ; die Palmen müssten schon an die hundert Jahre genutzt werden, um das auszugleichen, was der Primärwald vorher an Kohlendioxid gebunden hatte.

Zu beobachten sind auch Ketteneffekte, wenn in Brasilien Zuckerrohr den Soja-Anbau verdrängt, der sich dafür in den Tropenwald ausdehnt. Negativ wirkt sich in der Ökobilanz auch der immense Wasserbedarf aus; schon jetzt beansprucht die Landwirtschaft ungefähr zwei Drittel der globalen, in manchen Regionen schwindenden Wasservorräte. Monokulturen benötigen zudem oft Pestizide und Nährstoffe; durch Stickstoffdüngung entsteht aber Lachgas, das sich mehr als 300-mal so schädlich für das Klima auswirkt wie Kohlendioxid.

Vernichtendes Ergebnis

Zu einem vernichtenden Ergebnis kommt ein Gutachten, das der "Wissenschaftliche Beirat Agrarpolitik" im Januar Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer (CSU) übergeben hat. Es könne der deutschen Politik "aus klimaschutzpolitischer Sicht nicht empfohlen werden, die Förderung der Bioenergie-Erzeugung auf Ackerflächen weiter auszubauen".

Die Wissenschaftler plädieren dafür, die Beimischungsziele zurückzunehmen. Klimaschutz zu vertretbaren Kosten sollte nicht über die Verbrennung in Motoren stattfinden, sondern in Kraftwerken, in denen mit Gülle und Reststoffen wie Stroh und Hackschnitzel Energie erzeugt wird. Das klingt wenig verheißungsvoll: "Im Vergleich zur Solarenergie sind die Potentiale der Bioenergie auf Dauer relativ gering."

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SZ vom 03.04.2008/mcs
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