Bill Gates in Berlin:Die Verknüpfung von Marktwirtschaft und Weltrettung

  • Für drei Tage ist der zweitreichste Mensch der Erde und weltgrößte Stifter für globale Gesundheit nach Berlin gekommen. Dort hat er unter anderem das erste Büro seiner Stiftung auf dem europäischen Festland eröffnet.
  • Gates betont bei seinem Besuch, wie großzügig Deutschland sei, wie wichtig die Rolle der Bundesrepublik für die Entwicklungshilfe bleibe.
  • Er will aber auch Druck machen auf den viel gelobten Partner Deutschland.

Von Kathrin Zinkant

Kinder. Wann immer Bill Gates von Kindern spricht, fangen seine Arme und Hände an, sich zu bewegen. So klein blieben Kinder in Afrika, wenn sie unter- und mangelernährt sind, so viel geringer sei ihr Gehirn entwickelt. Wenn er eines schaffen wolle, dann diese Tragödie zu beenden.

Für drei Tage ist der zweitreichste Mensch der Erde und der weltgrößte Stifter für globale Gesundheit nach Berlin gekommen. Er hat mit Studenten diskutiert, den Bundespräsidenten getroffen, auf dem World Health Summit gesprochen, dort für seine Forschungsinitiative Grand Challenges getrommelt, sich mit Ministern und Staatsoberhäuptern zusammengesetzt und in der deutschen Hauptstadt das erste Büro der Stiftung auf dem europäischen Festland eröffnet. Künftig werde Gates häufiger in Berlin sein, versichert eine Mitarbeiterin seiner Stiftung.

Erkenntnisse der Grundlagenforschung werden zu selten in die Praxis umgesetzt

Das neue Office ist dabei nicht der einzige Grund. Mehrfach betont Gates, wie großzügig Deutschland sei, wie wichtig die Rolle der Bundesrepublik für die Entwicklungshilfe bleibe. Und doch hat der Computerpionier die Analyse einer Unternehmensberatung im Gepäck: Sie bescheinigt der deutschen Wissenschaft viel "ungenutztes Potenzial". Innovationen in den Lebenswissenschaften würden nicht stark genug gefördert, im Vergleich mit Frankreich und Großbritannien investiere man zu wenig Risikokapital, um Erkenntnisse der Grundlagenforschung in Produkte umzusetzen, Medikamente und Impfstoffe auf den Markt zu bringen. Mehr politisches Engagement, die Förderung von Talenten, neue Forschungsstrukturen, mehr Stiftungen, Unternehmenskultur und wirtschaftsfreundliches Umfeld seien nötig.

Gates will also auch Druck machen auf den viel gelobten Partner Deutschland. Dabei geht es dem Philantropen weniger um Medizin allgemein als um die globale Gesundheit, für die sich die Bill und Melinda Gates Stiftung seit 19 Jahren mit Milliardenbeträgen einsetzt - auch in der Wissenschaft, und dort mit wachsendem Einfluss auf die Forschungsthemen. Ein großer Teil des Geldes fließt in Innovationen mit neuen Technologien, dazu gehören neuartige Ansätze zur Veränderung der Bakterienbesiedelung im Körper, Impfstoffe auf RNA-Basis, genetisch veränderte Mücken im Kampf gegen Malaria und Saatgut, das mit der Genschere Crispr-Cas rasch an Umweltbedingungen angepasst wird. "Forschung und Entwicklung sind superentscheidend", sagt Gates. Ohne Wissenschaft gebe es keine Hoffnung, Malaria jemals auszurotten. "Mit den heutigen Mitteln ist das nicht möglich".

Es gibt jedoch wenig, was in den Augen von Gates nicht erreicht werden könne. Er bezeichnet sich als ungeduldigen Optimisten. Zugleich gilt er als knallharter Geschäftsmann, der sogar mit seinem am Montag verstorbenen Freund und Microsoft-Begründer Paul Allen einst grob umgesprungen sein soll. Und auch die Stiftung hat in den vergangenen Jahren Kritik geerntet: Mit ihren Anteilen an der Rüstungsindustrie, großen Ölfirmen und Pharmaunternehmen untergrabe die Foundation den Kampf gegen Kriege, Armut, und gesundheitliche Probleme in den Entwicklungsländern - und damit ihre eigenen Ziele.

Gates ficht das alles nicht merklich an. In Berlin preist der Computerpionier den westlichen Kapitalismus als ein System, das den Menschen Wohlstand und Gleichheit bringe. Man müsse nur auf Länder blicken, in denen es keine freien Märkte gebe, die Menschen in Nordkorea zum Beispiel hätten "ein grauenhaftes Leben". Medizinische Versorgung, Elektrizität und Bildung seien in "alternativen Systemen" so nicht in gleicher Weise erreichbar wie in den westlichen Wirtschaften. Und auch wenn es um Forschung geht, kennt Gates die üblichen Vorbehalte nicht. So ist die militärische Forschungsagentur der USA, Darpa, für ihn die großartigste Wissenschaftsorganisation überhaupt.

Bei allem Befremden, das viele Europäer einer solchen Verknüpfung von Marktwirtschaft und Weltrettung vermutlich entgegenbringen, bleiben Bill und Melinda Gates jedoch klar, was die politische Entwicklung in den westlichen Nationen betrifft. Die "America First"-Politik der USA verhindere, armen Menschen zu helfen, und auch in Europa gebe es bedenkliche Umwälzungen. Auf die Frage, ob man den Menschen nicht besser in deren Heimatländern helfe, statt mehr Flüchtlinge aufzunehmen, antwortet Gates: "Man sollte Menschen helfen, wo immer sie gerade sind."

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