Big-Foot-Forschung:Yeti und Plethi

Seit 40 Jahren sucht ganz Amerika nach einem behaarten Riesen - erfolglos. Trotzdem glaubt Jeffrey Meldrum von der Idaho State University an seine Existenz.

Peter Wagner

Der Mann ist ein erfahrener Jäger, die Trophäen in seinem Wohnzimmer in einem kleinen Ort im US-Bundesstaat Idaho deuten darauf hin. Nun bittet er Jeffrey Meldrum, den Gipsabguss zu begutachten. Es ist der Fußabdruck eines Big Foot, behauptet der Mann, ganz gewiss.

Meldrum beugt sich über den Gips, als sein Sohn, acht Jahre alt, durch die Tür kommt. Meldrums Sohn wirft seinen Blick auf den Gips, schaut hoch und sagt verwundert: "Dad, ich dachte, wir wollten uns einen Big-Foot-Abdruck anschauen. Der hier ist von einem Bären."

Bis zu zehn Mal im Monat klingelt in Meldrums Büro an der Idaho State University in Pocatello das Telefon und Menschen berichten von Begegnungen mit einem behaarten Riesen.

Oder sie übermitteln Bilder oder Gipsabdrücke von mächtigen Fußspuren, die auf ein Wesen hinweisen, das nicht Mensch und nicht Bär sein kann. Immer geht es um Big Foot oder "Sasquatch", wie die Legende im Nordwesten der USA genannt wird. Es geht um eine Art Yeti: Nie da, nie weg. Und irgendwie ständig unscharf.

Damals in Bluff Creek

Gewissheit über die Existenz dieses Affe-Bär-Mensch-Verschnittes gibt es keine, doch Berichte über Sichtungen gibt es zuhauf. Kein Dokument wird noch heute so diskutiert wie der Patterson-Gimlin-Film, der vor genau 40 Jahren in einem Tal in Kalifornien entstand.

Dieser Film ist der Grund, warum Jeffrey Meldrum bisweilen von Kollegen verlacht wird und warum in seinem Labor 200 Abdrücke von Fußspuren lagern, denen kein bekanntes Wesen zuzuordnen ist. Jeffrey Meldrum war ein Steppke von zehn Jahren, als er im Jahr 1968 von der Vorführung dieses Big-Foot-Films im Kino erfuhr.

Der Patterson-Gimlin-Film ist äußerst umstritten. Vor einigen Jahren erklärte etwa der Amerikaner Bob Heironimus, er habe für den Film ein Gorilla-Kostüm getragen (Skeptical Inquirer July/August 2004).

Jeffrey bequengelte seinen Vater und saß am Abend im vollen Kino in der ersten Reihe. Er sah ein wackelndes Bild und ein mensch-ähnliches Vieh mit schwarzem Fell, das durch ein Flussbett stapfte und sich einmal der Kamera zuwendete, um dann fort zu trotten.

Big Foot! Big Foot? Meldrum studierte später Zoologie und Anthropologie. Heute ist er der einzige Wissenschaftler, der sich im Hauptberuf mit einem märchenhaften Wesen auseinandersetzt, mit dem Trockenfleisch beworben wird und nach dem im Nordwesten der USA Musikfestivals benannt sind. Wer in dieser Ecke des Landes "Sasquatch" in seine Witze integriert, erntet Lacher. Wer an ihn glaubt, wird ausgelacht.

Jeffrey Meldrum lacht gerne. Er ist groß gewachsen und sitzt wanderbereit in Outdoorhemd und Trekkingschuhen in seinem Büro in Pocatello. Über dem Computerbildschirm baumelt die Akkreditierung für eine Big-Foot-Konferenz, an der Wand zeigt ihn ein Foto neben der Gorilla-Forscherin Jane Goodall.

Sie ist die prominenteste Unterstützerin seiner Arbeit. Meldrum lernte einen der Filmer, Bob Gimlin, mal persönlich kennen - deshalb kann er auch erklären, wie das Video entstand: Roger Patterson, ein einstiger Rodeo-Reiter, hörte im September 1967 von übergroßen Fußspuren in einem kalifornischen Tal und machte sich mit seinem Freund Bob Gimlin und zwei Pferden auf den Weg ins Bluff Creek. "Und da ist es passiert", sagt Meldrum. "Rogers Pferd hat gewiehert wie wild." Das Wesen tauchte auf. Bob Gimlin hielt das Gewehr im Anschlag und hatte Mühe, sein Pferd an den Zügeln nachzuziehen.

Patterson packte seine Kamera, sie fiel ihm aus den Händen, er las sie wieder auf und folgte dem Wesen. Gimlin folgte auch, widerwillig, das Pferd fest am Zügel. Das Wesen drehte sich einmal um. Und verschwand. Robert Patterson starb fünf Jahre später, Bob Gimlin reagiert heute allergisch auf Journalisten, die stets die eine Frage stellen: Haben Sie bei den Aufnahmen nicht doch geschummelt? "Er hätte sehr viel Geld mit einem Geständnis verdienen können", sagt Meldrum. "Aber er sagt immer nur: Ich habe gesehen, was ich gesehen habe."

"Welches Tier ist für diese Abdrücke verantwortlich?"

Montags und Mittwochs unterrichtet Jeffrey Meldrum seine Studenten, die übrige Woche gehört er vor allem Big Foot und seinen Fußabdrücken. Darunter ist auch jener, der zehn Tage nach dem Ereignis im Bluff Creek genommen wurde. "Diese Abdrücke gehören zu den besten, weil sie die Anatomie und die Dynamik des Gangs eines Sasquatch zeigen", sagt Meldrum und wiegt den Gips in seinen Händen.

"Welches Tier ist für diese Abdrücke verantwortlich?", fragt Meldrum. "Ich sage nicht, dass diese Abdrücke die Existenz Big Foots beweisen. Aber sie beweisen die Existenz von Etwas." Wieso? Nun, sie unterscheiden sich von menschlichen Fußabdrücken, sagt Meldrum, weil der Mittelfuß des Abdruckmachers scheinbar flexibler als der des Menschen ist.

Meldrum kramt ein Knochenmodell hervor, in dem der Mittelfuss nicht wie beim Menschen starr und gewölbeförmig ist, sondern aus vielen einzelnen Knochen besteht. Ein Sasquatch-Fuss rollt demnach ab wie die Kette eines Panzers.

Meldrum ist nicht nur Wissenschaftler, er hat vor allem Freude an guten Geschichten. Und er ist ein guter Erzähler. Vielleicht gehört er deshalb zu den Stars seiner Universität, die - neben Stiftungen und vermögenden Big-Foot-Gläubigen - seine Forschungen finanziert. Er ist in der Lage, Freiwillige zu bezahlen, die in Wäldern Infrarotkameras installieren, die den Big Foot finden könnten.

Es ist ja so, sagt Meldrum: Nachdem Forscher vor vier Jahren auf einer indonesischen Insel die Überreste eines Zwergmenschen entdeckten, der vielleicht parallel zum Homo Sapiens auf der Erde lebte, schrieb das Wissenschaftsmagazin Nature: "Die Entdeckung dieses Zwergmenschen macht es um einiges wahrscheinlicher, dass all die Berichte von mythischen, menschgleichen Wesen doch einen Funken Wahrheit in sich tragen." Meldrum grinst, als er aus dem Artikel zitiert.

Ob sich Big Foots Existenz beweisen lässt oder nicht - vielleicht hat Jeffrey Meldrum bereits etwas viel Wichtigeres bewiesen: Dass man sich die Neugier eines Zehnjährigen erhalten kann.

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