Beschwerden wegen Kunstfehlern:Ärger mit den Ärzten

Immer mehr Menschen beschweren sich über Behandlungsfehler ihrer Ärzte: Mehr als 11.000 Patienten haben sich im vergangenen Jahr wegen angeblicher Kunstfehler an eine Schlichtungsstelle der Bundesärztekammer gewandt. Doch eine Entschädigung bekamen lange nicht alle.

Guido Bohsem

Ärztliche Kunstfehler sind nach Einschätzung der Bundesärztekammer auch eine Folge der Einsparungen im Gesundheitssystem. "Die Ökonomisierung der Medizin hat den Druck auf Praxen, Ärzte und Pflegepersonal erhöht", sagte der Präsident der Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern, Andreas Crusius, an diesem Dienstag in Berlin. Die Patienten würden immer schneller durchgeschleust, obwohl sie immer kränker und die Therapien komplexer würden. Deshalb kommt es nach Crusius' Worten häufiger zu Irrtümern und falschen Behandlungen.

Crusius sitzt an der Spitze der ärztlichen Organisationen, die sogenannte Kunstfehler begutachten und dann eine Schlichtung zwischen Arzt und Patienten versuchen. 2010 bearbeiteten die Experten der Ärztekammern etwa 11.000 Beschwerden von Patienten. Das sind zehn Prozent mehr als noch vor vier Jahren.

Die Ärztekammer selbst erklärt sich den Anstieg weniger mit dem gestiegenen Stress für das Personal, sondern mit dem Erfolg ihrer eigenen Arbeit: Weil immer mehr Patienten von der Möglichkeit wüssten, einen unabhängigen Gutachter in einem Schlichtungsverfahren anzurufen, würden sie dies auch öfter tun.

Am häufigsten klagten die Patienten dabei über Fehler bei der Behandlung von verschlissenen Hüften oder Knien. In insgesamt 562 Fällen wandten sie sich an die ärztliche Schiedsstelle, deutlich mehr als noch vier Jahre zuvor. Im Vergleich dazu gab es 155 Beschwerden über eine angeblich falsche Behandlung von Unterarm- und Handgelenksbrüchen und damit genau so viele wie 2006. Dieser Unterschied erklärt sich vor allem durch die Masse der Eingriffe. Denn die meisten Operationen in Deutschland dienen dem Einsatz von künstlichen Hüft- und Kniegelenken, und die Zahl steigt seit Jahren.

Laut Daten der ärztlichen Schiedsstelle starben 87 Patienten nach ärztlichen Fehlleistungen oder Irrtümern. 168 trugen schwere Dauerschäden davon. 499 werden ihr Leben lang unter leichten bis mittleren Schäden leiden. Etwa die Hälfte der Schäden durch ärztliche Fehlleistungen heilte von selbst oder wurde durch zusätzliche Operationen behoben.

Die Beschwerden richteten sich etwa dreimal häufiger gegen eine Behandlung im Krankenhaus als gegen eine in der Praxis eines niedergelassenen Arztes. Denn bei den dort vorgenommenen Eingriffen habe der Patient oftmals ein besseres Verständnis für eine Fehlbehandlung als beispielsweise beim Hausarzt. Laien könnten die Auswirkungen eines schlecht zusammengewachsenen Bruchs eben besser beurteilen als ein schlecht gewähltes Medikament, sagte der Geschäftsführer der Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen der norddeutschen Ärztekammern, Johann Neu.

Zu einem Erfolg führten die Beschwerden der Patienten allerdings nur in jedem dritten Fall. Die Gutachter der Schlichtungsstelle werteten etwa 70 Prozent der 7355 überprüften Beschwerden als gegenstandslos. In 1821 Fällen gab es Grund für eine Beanstandung. Dabei lag in etwa fünf Prozent der Fälle zwar ein Kunstfehler vor. Die Patienten hätten jedoch nicht nachweisen können, dass ihnen dadurch ein Schaden entstanden sei. Die Beweislast liege beim Geschädigten, so Neu, und das sei ein Umstand, der von diesen oftmals als ungerecht empfunden werde. Eine gesetzliche Änderung dieser Regel lehnten er und auch Crusius aber ab.

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