Verhaltensforschung:Kraulen ist ansteckend

AFFENBERG SALEM

Körperpflege hat für Berberaffen einen hohen Stellenwert.

(Foto: DPA/DPAWEB)
  • Wenn sich zwei Berberaffen gegenseitig kraulen, wirkt dieses Verhalten häufig ansteckend, haben Biologen beobachtet.
  • Andere Gruppenmitglieder werden ihrerseits ruhiger, ihre Motivation zur Fellpflege wächst.
  • Auch Menschen sind empfänglich für soziale Ansteckung, wie zahlreiche Studien gezeigt haben.

Von Katrin Blawat

Niemand ist eine Insel, hat der englische Dichter John Donne geschrieben. Berberaffen wird er dabei kaum im Sinn gehabt haben, dabei gilt der Satz auch für sie. Denn es ist alles andere als ihre Privatsache, wenn die Stimmung zwischen zwei Berberaffen gelöst ist und sich die beiden gegenseitig entspannt das Fell kraulen. Wie Juliette Berthier und Stuart Semple von der Londoner University of Roehampton im Fachmagazin Proceedings B schreiben, lassen sich andere Gruppenmitglieder von dieser friedlichen Atmosphäre anstecken - und werden ihrerseits ruhiger. Auch steigt ihre Motivation, selbst einen Artgenossen zu kraulen oder sich ihm als Partner für die Fellpflege anzubieten. Wer anderen dabei zuguckt, wie sie einander Gutes tun, der wird mit großer Wahrscheinlichkeit selbst zum Wohltäter: Freundlichkeit und soziales Verhalten sind ansteckend.

Auch Menschen lassen sich von der guten Laune anderer positiv beeinflussen

Diese Theorie bestätigten die 20 halbwild lebenden Berberaffen-Weibchen, deren Interaktionen in die Studie einflossen. Die Tiere waren alle erwachsen und gehörten derselben Gruppe an. Sah eines der Weibchen, wie sich zwei andere gegenseitig kraulten, verringerte sich bei der Zuschauerin der Stresslevel. Jedenfalls zeigte sie daraufhin seltener Verhaltensweisen wie sich kratzen, die auf innere Unruhe schließen lassen. Auch stieg die Wahrscheinlichkeit, dass die Beobachterin in freundlicher Absicht die Nähe zu einem weiteren, bislang unbeteiligten Artgenossen suchte.

Die Berberaffen-Weibchen liefern damit zwar nicht den ersten Hinweis auf die sogenannte soziale Ansteckung im Tierreich. In vielen anderen Studien ging es aber nicht, wie in diesem Fall, um die Beobachtung anderer als Auslöser für die Ansteckung, sondern um akustische Signale. Zum Beispiel initiieren so unterschiedliche Tiere wie Ratten und Keas - eine Papageienart - mit höherer Wahrscheinlichkeit ein Spiel mit Ihresgleichen, wenn sie über Lautsprecher jene Töne hören, die charakteristisch sind für spielerische Situationen.

Ähnliches gilt für Weißbüschelaffen. Spielt man ihnen Laute vor, wie die Affen sie typischerweise bei der gegenseitigen Fellpflege ausstoßen, motiviert das die Zuhörer ihrerseits, sich einen Partner zum Kraulen zu suchen. Doch nicht nur gute Laune ist ansteckend. Unter Japanmakaken beeinträchtigt miese Stimmung manchmal auch den, der überhaupt nicht selbst in die Auseinandersetzung verstrickt ist. Bekommt ein unbeteiligter Affe einen Streit zwischen zwei Artgenossen mit, zeigt der Zeuge vermehrt Verhaltensweisen, die auf Stress hindeuten.

Auch Menschen sind empfänglich für soziale Ansteckung, wie zahlreiche Studien gezeigt haben. Egal, ob es um gute Laune, gedrückte Stimmung oder die Einstellung zum Essen geht: Oft beeinflussen die anderen um einen herum das eigene Empfinden stark. Soziobiologen vermuten, dass die soziale Ansteckung das Zusammengehörigkeitsgefühl innerhalb einer Gruppe stärkt und helfen könne, gemeinsame Aktionen zu koordinieren.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: