Astronomie:„Wir haben den nächsten Schritt auf dem Weg zum Leben entdeckt“

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Asteroid Bennu von der Sonde Osiris-Rex aus gesehen: ein fliegender Geröllhaufen.  (Foto: AP)

Ende 2023 brachte die Raumsonde „Osiris-Rex“ eine Probe vom Asteroiden Bennu auf die Erde. Analysen zeigen: Der schwarze Staub ist vollgepackt mit chemischen Zutaten des Lebens.

Von Hanno Charisius

Gut 120 Gramm Staub und feines Geröll, tiefschwarz – zwei Hände voll Dreck, wenn man so will. Doch chemische Analysen zeigen, dass diese Material vollgestopft ist mit biologischen Grundbausteinen, Aminosäuren, Salzen und Nukleobasen, die sich mit weiteren Zutaten zum Erbmolekül DNA zusammenfügen könnten. Das wäre kaum weiter bemerkenswert, wenn diese Probe von der Erde wäre. Sie stammt jedoch vom Asteroiden Bennu, der zurzeit gut 64 Millionen Kilometer von der Erde entfernt durch das Sonnensystem rast. Licht braucht drei Minuten für diese Distanz.

Am 24. September 2023 landete der Bennu-Staub luftdicht verpackt in einer Kapsel in der Wüste des US-Bundesstaates Utah. Die Nasa-Sonde Osiris-Rex hatte die Probe bei einem Rendezvous mit Bennu im Jahr 2018 eingesammelt und im Vorbeiflug an der Erde abgeworfen. Der Asteroid ist schätzungsweise 4,5 Milliarden Jahre alt, ein Bote aus der Zeit, als sich das Sonnensystem gerade entwickelte.

Das Nasa-Raumschiff Osiris-Rex berührt am 20. Oktober 2020 die instabile Oberfläche des Asteroiden Bennu und sammelt eine Probe ein. (Foto: AP/AP)

Jetzt liegen die ersten detaillierten Analyseergebnisse des Asteroiden-Materials vor: Die Resultate lesen sich wie die Zutatenliste für die Entstehung von Leben. In den Anfängen des Sonnensystems muss Bennu aus einem größeren frühen Himmelskörper herausgerissen worden sein. Jedenfalls zeigen die chemischen Spuren, dass Bennu einst reichlich Wasser hatte, das verdunstete und eine salzige Brühe hinterließ. Darin, so die Annahme, konnten sich aus einfachen chemischen Grundbausteinen wie Ammoniak und Formaldehyd komplexere Moleküle formieren. Nasa-Wissenschaftler Daniel Glavin und internationale Kollegen berichten in Nature Astronomy, 14 der 20 Aminosäuren im Bennu-Staub entdeckt zu haben, die in den meisten irdischen Organismen vorkommen – sie schreiben von „terrestrischer Biologie“. Sie stießen auch auf 19 Aminosäuren, „die in der bekannten Biologie selten oder gar nicht vorkommen“. Dazu jene fünf sogenannten Nukleobasen, aus denen sich das Erbmaterial DNA und das Schwestermolekül RNA zusammensetzt, die die biologischen Baupläne für die molekulare Maschinerie des Lebens in den Zellen speichern.

Im Nature-Artikel beschreibt ein Team um Timothy J. McCoy, Kurator für Meteoriten am Smithsonian’s National Museum of Natural History in Washington, D. C., eine Vielzahl von Salzmineralien in den Bennu-Proben, darunter natriumhaltige Phosphate und natriumreiche Karbonate, Sulfate, Chloride und Fluoride. Die Entdeckung deute darauf hin, dass die extraterrestrischen Solen eine entscheidende Voraussetzung für die Entwicklung organischer Verbindungen gewesen sind.

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Der Frankfurter Forscher Frank Brenker untersucht Asteroidenstaub, den die Sonde „Osiris-Rex“ zur Erde gebracht hat. Ein Gespräch über eine kostbare Probe und die Frage, wie das Leben auf die Erde kam.

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Aus früheren Asteroidenproben und den Untersuchungen von Meteoriten habe man bereits gewusst, dass es eine Menge organischer Moleküle im All gibt, sagt Frank Brenker, Professor für Planetare und Extraterrestrische Prozesse am Schwiete Cosmolab an der Goethe-Universität Frankfurt, der an dem Nature-Artikel mitgearbeitet hat. In seinem Labor wurde ein Teil der Bennu-Proben untersucht. „Aber jetzt wissen wir mehr über das Umfeld, in dem sich diese Bausteine des Lebens entwickeln können. Wir haben den nächsten Schritt auf dem Weg zum Leben entdeckt.“

Bei den früheren Funden von organischen Verbindungen in Proben aus dem All konnte man sich nie ganz sicher sein, ob sich die organischen Moleküle nicht doch beim Eintritt in die Erdatmosphäre bildeten. Durch den hermetischen Abschluss der Bennu-Proben in der Osiris-Rex-Kapsel sei eine solche Kontamination jedoch ausgeschlossen, sagt Brenker.

Nasa-Chef Bill Nelson zeigte während einer Pressekonferenz im Oktober 2023 ein Foto von der Bennu-Probe. (Foto: MARK FELIX)

Die Ergebnisse legen nahe, dass Wasser zwar für Lebensvorgänge notwendig ist, für die Entstehung von Leben sollte es jedoch nicht zu viel davon geben. Vereiste Felsbrocken, von denen das Wasser allmählich ins All verschwindet, wären demnach geeignete Wiegen des Lebens, genauso wie vielleicht eine austrocknende Pfütze. „Wir sehen in den Proben eine Abfolge von Mineralen, die man auch finden würde, wenn Flüssigkeit nach und nach verdampft, die Konzentration der salzhaltigen Element nimmt zu“, sagt Brenker. So ähnlich, als würde man auf der Erde mineralhaltiges Wasser durch warme Felsritzen pressen. Solche Salzkrusten wie auf Bennu gebe es auch auf der Erde. In ihnen könnten die richtigen Bedingungen herrschen, unter denen sich einfache Vorläufermoleküle zu jenen molekularen Aggregaten zusammensetzen, die die Maschinerie des Lebens antreiben. „Wenn man alle chemischen Verbindungen auf Bennu zusammenpackt, hat man bereits fast alles, was es zum Leben braucht.“

Damit ist klar: Bedingungen, unter denen zumindest einfaches Leben entstehen könnte, sind wahrscheinlich nicht selten im Sonnensystem und wahrscheinlich auch nicht im Weltall. „Wir schauen zum ersten Mal praktisch vor der eigenen Haustür und finden gleich so viele Zutaten des Lebens“, sagt Brenker. Damit erhöhe sich die Wahrscheinlichkeit, weitere organische Verbindungen zu finden, vielleicht sogar funktionstüchtige Biomoleküle oder mikrobielles Leben auf einem der zahlreichen Monde im Sonnensystem.

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