Bemannte Raumfahrt:Moskau, wir haben ein Problem

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Die Weltraumnation USA wird ohne die Hilfe der Russen bald nicht mehr ins All kommen.

Christopher Schrader

Jedesmal, wenn die Countdown-Uhr Null erreicht und ein Space Shuttle abhebt, ist die Nasa um 450 Millionen Dollar ärmer. Die Raumfähre, die auf einem Feuerstrahl in den Himmel über Florida rast, verbrennt das Geld der amerikanischen Steuerzahler. Kein Wunder, dass Raumfahrtbehörde und Politiker in Washington begierig sind, die Shuttle-Flotte endlich auszumustern und an die Museen zu übergeben. Der Planung nach wird das Ende 2010, Anfang 2011 möglich sein, weil mit der Fähre noch etliche Bauteile der internationalen Raumstation ISS zur Montage in den Orbit gebracht werden müssen.

Die US-Space Shuttles werden voraussichtlich nur noch bis 2011 abheben. (Foto: Foto: dpa)

Dann aber hat die Nasa ein neues Problem: Wie kommen ihre Astronauten zur Raumstation? Die Raketen und Kapseln, die die Amerikaner selbst im sogenannten Constellation-Programm als Shuttle-Nachfolger entwickeln, sind frühestens 2015 fertig.

Die Europäer haben zwar ein funktionierendes Raumschiff, das ATV. Aber es ist als Frachter konzipiert und bringt Versorgungsgüter zur ISS. Die Chinesen wiederum stehen mit der bemannten Raumfahrt noch am Anfang. Bisher sind sie am ISS-Programm nicht beteiligt; sie haben auch noch nie ein Andockmanöver im Weltall geflogen.

Dennoch hatte vor kurzem der Wissenschaftsberater von Präsident Barack Obama, John Holdren, öffentlich spekuliert, ob Nasa-Astronauten nicht in chinesischen Kapseln zur ISS reisen könnten. Vorher sind noch viele Vorbereitungen nötig: technische und politische, denn viele Politiker in Washington dürften kritische Fragen stellen.

Bleiben die Russen. Die Kooperation zwischen Nasa und Roskosmos, der russischen Raumfahrtbehörde, ist alt und bewährt. Im Weltall klappt die Zusammenarbeit zwischen den Supermächten seit Jahren besser als am Boden. Von den bisher 19Langzeit-Besatzungen der ISS sind die meisten mit Sojus-Raketen von Baikonur in Kasachstan gestartet und dorthin zurückgekehrt. Ohnehin besteht das Grundgerüst der Weltraumstation aus russischen und amerikanischen Modulen, und es sind auch stets Astronauten beider Nationen zusammen oben gewesen.

Auf die Mitfluggelegenheit in der Sojus ist die Nasa mindestens fünf weitere Jahre angewiesen. Die Russen lassen sich die Dienstleistung bezahlen. Von 2012 an kostet das Ticket 51Millionen Dollar, hat Roskosmos-Chef Anatolij Perminow angekündigt. Die Nasa unter ihrem neuen Leiter muss über die Flüge einen Vertrag schließen, weil die Russen drei Jahre Vorlauf brauchen, um die nötigen Kapseln zu bauen. Der Preis für 2011 ist nicht bekannt.

Die Abhängigkeit, in die die Nasa gerät, ist bereits mit starken Worten kommentiert worden. Der demokratische Senator Bill Nelson aus Florida, ehemaliger Astronaut und Leiter eines Aufsichtskomitees über die Raumfahrtbehörde, hat im vergangenen Jahr in der Washington Post von einem "sehr schweren Verrat an amerikanischen Interessen" gesprochen: "Es wird das erste Mal seit Sputnik sein, dass die Vereinigten Staaten keinen deutlichen Vorsprung im All haben."

Konkret befürchten US-Politiker Komplikationen, wenn sich die Supermächte in der Weltpolitik nicht einig sind, etwa über Iran. Die Sorgen betreffen sowohl die Möglichkeit, Druck auf Russland auszuüben, als auch innenpolitische Schwierigkeiten: In einer Krise könnte der Kongress die Zahlungen an Russland verweigern.

Die Nasa selbst hatte solche Befürchtungen im Sommer des Jahres 2008 anlässlich des Georgien-Konflikts zerstreut: Nasa und Roskosmos hätten eine lange Geschichte erfolgreicher Zusammenarbeit. Ähnlich hatte sich der Abgeordnete Bart Gordon aus Tennessee geäußert, der im Repräsentantenhaus das Wissenschafts-Komitee leitet: Die Russen hätten sich, besonders nach dem Absturz des Shuttles Columbia 2003 als zuverlässige Partner erwiesen. Tatsächlich brachte dann die Regierung Bush eine Ausnahmegenehmigung für die Sojus-Flüge bis 2015 durch den Kongress.

Doch in den Jahren bis zum Start ihrer nächsten eigenen Raketen dürften die Amerikaner eine solche Diskussion ganz sicher noch einige Male führen. Und ihren Stolz als Raumfahrtnation vergrößert das nicht gerade.

© SZ vom 25.05.2009/beu - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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