Behandlungsfehler:Patientenklagen nehmen leicht zu

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Im vergangenen Jahr haben sich 10.432 Patienten über fehlerhafte Behandlung oder Aufklärung durch Ärzte beschwert. In jedem vierten der 7000 begutachteten Fälle wurde Schadensersatz gezahlt.

Immer mehr Patienten beklagen ärztliche Behandlungsfehler. Die Zahl der Vorwürfe, die bei den zuständigen Standesgremien, den Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen der Ärztekammern, eingegangen sind, ist im vergangenen Jahr um 152 auf 10.432 angewachsen.

Besonders häufig werden Chirurgen fehlerhafte Behandlungen unterstellt. (Foto: Foto: AP)

Das geht aus den Statistischen Erhebungen hervor, die die Bundesärztekammer in Berlin jetzt vorgestellt hat. Demnach liegt die Zahl der Anträge auf Schadensersatz im Vergleich zum Jahre 2006 um 1,5 Prozent höher - und fast exakt so hoch wie im Jahr 2005. Damals hatten sich 10.482 Patienten beschwert.

Etwa ein Viertel dieser Beschwerden hatten 2007 Erfolg: In 1717 der abgeschlossenen Fälle erkannten die Gutachter tatsächlich einen Behandlungs- oder Aufklärungsfehler, der zu einem Gesundheitsschaden führte. In diesen Fällen wurde tatsächlich Schadenersatz gezahlt, wie es weiter hieß.

Im Jahre 2006 hatten 1562 Klagen zur Schadensersatzzahlungen geführt - wobei hier allerdings keine Fälle in Bayern berücksichtigt sind. Zu dieser Zeit hatte das Bundesland die Daten noch nicht für das kurz zuvor eingeführte Medical Error Reporting System (MERS) zur Verfügung gestellt. Die Zahlen insgesamt sind nach Auskunft der Bundesärztekammer jedoch mit denen des Jahres 2007 vergleichbar.

Entschieden wurden von den Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen im vergangenen Jahr insgesamt 7049 Fälle. Die meisten Vorwürfe bezogen sich auf Operationen (3262 Fälle) und fehlerhafte Diagnosen mit Hilfe bildgebender Verfahren (975 Fälle) sowie postoperative Maßnahmen (908 Fälle).

Vor allem Patienten, bei denen Hüft- und Kniegelenkarthrosen, also Verschleißerscheinungen, diagnostiziert worden waren, beanstandeten die Behandlung. So erhielten die Antragssteller in 228 Fällen nach Kniegelenksoperationen und in 198 Fällen nach Hüftgelenksoperationen Schadensersatz.

Betroffen waren vor allem die Fachbereiche Unfallchirurgie, Allgemeinchirurgie und Orthopädie, aber auch Hausärzten wurden relativ häufig Fehler nachgewiesen.

Neben Verschleißerscheinungen an Knie und Hüfte wurden besonders häufig Brüche im Bereich der Arme und Beine, aber auch Brustkrebs falsch behandelt.

"Was die Schlichtungsstellen veröffentlichen, ist nur die Spitze eines Eisberges", sagte Stefan Etgeton, Gesundheitsexperte des Bundesverbands der Verbraucherzentralen, der Frankfurter Rundschau.

Viele Behandlungsfehler würden gar nicht erst begutachtet, "weil es schwer ist, zweifelsfrei festzustellen, dass ein Fehler vorliegt". Auch berichteten viele Patienten, dass es "ganz schwierig" sei, unabhängige Gutachten zu bekommen, sagte Etgeton.

Der Vorsitzende der Ständigen Konferenz der Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen, Andreas Crusius, forderte andere Institutionen im Gesundheitswesen auf, ebenfalls Daten über Behandlungsfehler zu veröffentlichen.

"Wir wollen, dass unsere Daten zur Fehlerprävention genutzt werden und möchten andere ermutigen, unserem Beispiel zu folgen", erklärte Crusius. "Auch die Krankenhäuser sind aufgerufen, Zahlen zu Schadensfällen herauszugeben."

Seit 1975 bieten die bei den Ärztekammern eingerichteten Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen für Arzthaftungsstreitigkeiten eine unabhängige Expertenbegutachtung und außergerichtliche Streitschlichtung bei Behandlungsfehlervorwürfen. Seit 1979 werden die Daten zu einer bundesweiten Statistik zusammengefasst, für die 2006 das Medical Error Reporting System eingeführt wurde.

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