Die Kinder von Chimbote sind häufig krank. Vor allem im Frühling, wenn die Fangsaison beginnt und die Fischfabriken ihren bestialischen Gestank ausstoßen.
In der peruanischen Hafenstadt wird Fischmehl hergestellt, mehr als irgendwo sonst auf der Welt. Das braune Pulver ist in Asien und in Europa heißbegehrt - als Rohstoff für die Aquakultur.
Mit dem Boom der Fischfarmen ist die Plünderung der Meere in eine neue Phase eingetreten. Nachdem sie die Bestände der großen Raubfische dezimiert haben, verstärken Fangflotten nun die Jagd auf die kleinen Arten. Ganze Schwärme hieven sie an Bord.
Sprotten, Sardellen und Sardinen werden gefangen und zermahlen, um sie an Lachse, Thunfische und Kabeljaue zu verfüttern, an Arten, die in freier Wildbahn zur Seltenheit geworden sind und daher in Käfigen aufgezogen werden müssen.
Nach Jahrzehnten der Überfischung sind die Meere in beklagenswertem Zustand. Für ihre Bewohner gibt es praktisch keine Rückzugsgebiete mehr. Korallenriffe, Seegrasbetten, Mangrovensümpfe, Kontinentalhänge, ja selbst die Tiefsee und die Polarregionen werden befischt.
Verlockende Versprechungen
Internationale Fangflotten ziehen jährlich 120 Millionen Tonnen Fisch aus dem Wasser - mehr als die Meere dauerhaft hergeben können und doch zu wenig, um den Appetit der Menschheit zu stillen. Die Weltbevölkerung wächst, und vor allem in Schwellenländern ändern sich die Essgewohnheiten.
Mit zunehmendem Reichtum essen die Menschen mehr und mehr Fisch. Biologen der Dalhousie University von Halifax prognostizieren, dass in 40 Jahren alle kommerziell nutzbaren Fischbestände in den Weltmeeren zusammengebrochen sein werden.
Schon heute kann die Nachfrage nur gedeckt werden, weil die Hälfte des weltweit konsumierten Fischs aus Aquakulturen stammt. Die Fischzuchtbranche hat sich zu einem profitablen Wirtschaftszweig entwickelt.
Die Versprechungen der Aquafarmer klingen verlockend. Fische sollen domestiziert werden wie Rinder, Schafe und Schweine. Statt sie zu fangen, will man sie züchten und ihre Artgenossen im Meer in Ruhe lassen.
Damit wären nicht nur die Wildbestände gesichert, behaupten die Anhänger der Aquakultur, auch die Nebenwirkungen der industriellen Fischerei könnten schon bald der Vergangenheit angehören. Das Problem der Zerstörung mariner Lebensräume durch Schleppnetze - gelöst.
Doch Meeresforscher und Naturschützer sind skeptisch. Ob Thunfisch, Lachs oder Kabeljau, Gourmets bevorzugen Raubfische. Raubfische aber brauchen Futter. So kommt es, dass heute mehr als ein Drittel des weltweit angelandeten Fischs als Tierfutter endet.
Aquakulturen sind der mit Abstand größte Abnehmer. Meeressäuger, Vögel und die verbliebenen Wildfische finden daher immer weniger zu fressen. Das Fundament der marinen Nahrungspyramide bricht weg.
Die schädlichste Form der Aquakultur wird mit dem Roten Thunfisch betrieben. Die Fischfarmen, in denen sie gezüchtet werden, verdienen ihren Namen nicht. Da sich Thunfische in Gefangenschaft nicht fortpflanzen, werden Wildfänge eingepfercht und gemästet, bis sie fett genug sind, um sie nach Japan zu verkaufen.
Dort wird das fetthaltige Fleisch des Roten Thuns besonders geschätzt. Umweltschützer dringen seit langem darauf, die Art auf die Rote Liste der bedrohten Tiere zu nehmen, inzwischen unterstützen einige EU-Staaten sie dabei.
Auch der hierzulande so beliebte Verzehr von Farmlachs ist bedenklich, selbst wenn er aus Bio-Betrieben stammt. Für jedes Kilo Lachs werden 3,5 Kilo Fischmehl verfüttert. Proteine, die im Meer fehlen und deren Verarbeitung die Kinder von Chimbote krank macht.
Experten wie der Meeresforscher Daniel Pauly sagen daher, dass allein Farmfische mit vegetarischen Essgewohnheiten ökologisch unbedenklich seien, Tilapia etwa oder Pangasius.