Süddeutsche Zeitung

Genetik:Was Beethovens Locken über Leben und Tod des Künstlers verraten

Haar-Analysen zeigen, dass Ludwig van Beethoven eine genetische Disposition für Lebererkrankungen hatte - und lassen über seine Familiengeschichte rätseln.

Mit Hilfe originaler Haarlocken hat ein Forscherteam das Erbgut von Ludwig van Beethoven untersucht. Demnach hatte Beethoven eine erblich bedingte Anfälligkeit für Leberzirrhose und war in den Monaten vor seinem Tod mit Hepatitis B infiziert, wie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Fachblatt Current Biology schreiben. In Verbindung mit seinem Alkoholkonsum könnten diese Faktoren demnach zu fortschreitendem Leberversagen geführt haben. Der Meister starb am 26. März 1827 im Alter von 56 Jahren.

Beethoven kam 1770 in Bonn zur Welt, später zog er nach Wien. Er gilt als einer der bedeutendsten Komponisten der Musikgeschichte, aus seiner Feder stammen unter anderem "Für Elise" und die Melodie der Europahymne ("Ode an die Freude") aus dem letzten Teil seiner berühmten 9. Symphonie.

Fachleute machen sich seit Beethovens Tod Gedanken über seine Krankheiten und deren Ursachen. Dabei konzentrierte man sich hauptsächlich auf historische Dokumente, etwa Beethovens Briefe und Tagebücher, Aufzeichnungen seiner Ärzte und einen Autopsie-Bericht. Zudem seien mehrere Gewebeproben einschließlich Haaren untersucht worden - die zumindest zum Teil gar nicht vom Komponisten stammen, wie die Forschenden, unter anderem vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie (MPI EVA), dem Uniklinikum Bonn und dem Beethoven-Haus Bonn, nun schreiben.

Von acht angeblich vom Künstler stammenden Haarsträhnen stufte das Team nur fünf als authentisch ein

Die Gruppe analysierte insgesamt acht angeblich von Beethoven stammende Haarsträhnen aus seinen letzten Lebensjahren, die von öffentlichen und privaten Sammlungen zur Verfügung gestellt wurden. Fünf davon stufte das Team als authentisch ein und sequenzierte Beethovens Erbgut anhand der besterhaltenen, der sogenannten Stumpff-Locke. Dabei fanden sie "eine Reihe bedeutender genetischer Risikofaktoren für eine Lebererkrankung", wie es in einer Mitteilung des Uniklinikums Bonn heißt.

Zudem fand das Team in Beethovens Haaren DNA von Hepatitis-B-Viren. Diese können eine Leberentzündung auslösen und werden unter anderem beim Sex oder durch kontaminiertes OP-Werkzeug übertragen.

"Wir können nicht mit Sicherheit sagen, woran Beethoven gestorben ist, aber wir können jetzt zumindest das Vorhandensein eines erheblichen erblichen Risikos für eine Leberzirrhose und eine Infektion mit dem Hepatitis-B-Virus belegen", sagte Johannes Krause vom MPI EVA laut Mitteilung.

Die Forschenden suchten im Erbgut auch nach Ursachen für zwei weitere Leiden des Meisters - wurden aber nicht wirklich fündig. So hatte Beethoven ab Ende 20 mit zunehmender Schwerhörigkeit zu kämpfen. Die letzten Jahre seines Lebens war er komplett taub. Die DNA-Analysen erbrachten aber keinen klaren Anhaltspunkt für eine genetische Ursache für den Hörverlust.

Auch auf Beethovens langanhaltende Magen-Darm-Beschwerden mit Schmerzen und Durchfall fanden sich keine Hinweise in seinem Erbgut. Gluten- und Laktoseintoleranz können aber höchstwahrscheinlich als Ursachen ausgeschlossen werden können, wie die Uniklinik schreibt.

Die Studienautoren machen sich zudem Gedanken darüber, inwieweit Beethovens Alkoholkonsum zu seinem Leberleiden beitrug. "Beethovens "Konversationshefte", die er im letzten Jahrzehnt seines Lebens benutzte, legen die Vermutung nahe, dass er sehr regelmäßig Alkohol konsumierte", sagte Mitautor Tristan Bregg von der Universität Cambridge laut Mitteilung. Die genauen Mengen zu bestimmen, sei aber schwierig. "Unserer Einschätzung nach dürfte es sich immer noch um Alkoholmengen gehandelt haben, von denen man heute weiß, dass sie für die Leber schädlich sind."

Das untersuchte Erbgut Beethovens gibt der Studie zufolge Hinweise darauf, dass es in Beethovens väterlicher Linie seit den 1570er Jahren ein Kind aus einer außerehelichen Beziehung gegeben haben muss. Hinweise, dass Beethoven selbst ein Kuckuckskind gewesen sei, habe man aber nicht gefunden, so die Forscher.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5773922
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/dpa/weis
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.