Süddeutsche Zeitung

Bedrohte Tiere:Artenschutz kontra Esskultur

Haie, Tiger, seltene Pflanzen: Bei den Verhandlungen zum Artenschutzabkommen Cites wird um alles gestritten. Denn es geht um kulturelle Praktiken - aber vor allem um viel Geld.

Wolfgang Roth

Wie ist dem rasanten Schwund, dem Aussterben vieler Tier- und Pflanzenarten auf der Erde am wirkungsvollsten zu begegnen? Es gibt viele Möglichkeiten im nationalen Ordnungsrecht und in internationalen Vereinbarungen, aber das Netz hat weite Maschen.

Tiere überwinden Grenzen, in Deutschland streng geschützte Vögel werden auf ihren Zugrouten dezimiert. Die von den EU-Ländern verhängten Fangquoten, die der Überfischung der Meere entgegenwirken sollen, sind schwer zu kontrollieren und in der Regel auch nicht so bemessen, dass sich gefährdete Bestände langfristig erholen können.

Und der Prozess, mit Hilfe der UN-Konvention zur biologischen Vielfalt große Schutzgebiete zu Lande und zu Wasser auszuweisen, kommt nur mühsam voran. Immerhin ist es gelungen, auf den Konferenzen der Internationalen Walfangkommission ein nur von wenigen Ländern durchbrochenes Moratorium durchzusetzen, das einigen, unmittelbar vom Aussterben bedrohten Arten der großen Meeressäuger das Überleben sichern könnte.

Das schärfste, global wirkende Regularium hat die Staatengemeinschaft aber mit jenem Vertragswerk geschaffen, das gezielt beim Handel ansetzt und nach seinem Geburtsort unter dem Namen Washingtoner Artenschutzabkommen firmiert. Die offizielle Bezeichnung lautet Convention on International Trade in Endangered Species of Wild Fauna and Flora, kurz: Cites.

Um dessen Anpassung geht es von diesem Samstag an zwei Wochen lang in Doha, der Hauptstadt des Emirats Katar. Alle drei Jahre verhandeln die Delegierten aus mittlerweile 175 Staaten darüber, welchen Schutzstatus diverse Pflanzen und Tiere haben sollen, um nicht in die Roten Listen gefährdeter Arten zu rutschen oder gar vollständig aus dieser Welt zu verschwinden.

Drei Schutz-Kategorien werden unterschieden: Mit den in Anhang eins gelisteten Arten ist jeglicher Handel untersagt, selbst die kommerzielle Nutzung einzelner Teile der Organismen wie Samen, Wurzeln, Felle, Federn oder Knochenstücke. In dieser Gruppe findet man unter anderem Menschenaffen und Wale, diverse Bären- und Katzenarten, Papageien, etliche Schildkröten, Kakteen und Orchideen. Für die meisten Länder steht auch der Elefant in dieser Liste.

Thunfisch, Haie, Eisbären

Anhang zwei enthält Arten, die in begrenzter Zahl und unter wissenschaftlicher Kontrolle genutzt werden können, zum Beispiel viele Krokodile, Riesenschlangen und der den Kaviar liefernde Stör. Anhang drei ist reserviert für Arten, deren Exportmengen so gut dokumentiert werden, dass Ursprungsländer notfalls schützend eingreifen können.

Mit dem Zugriff der Zollbehörden in Ausfuhr- und Einfuhrländern lässt sich zwar Wilderei und Schmuggel nicht völlig ausschließen, aber doch in Grenzen halten. Weil es dabei um sehr viel Geld geht, ist die Einteilung in die Schutzkategorien heftig umstritten, lässt doch ein Eintrag in Anhang eins kaum legale Ausnahmen zu, sieht man von der limitierten Zulassung der Trophäenjagd ab.

In Doha wird neben dem Handel mit dem Blauflossenthunfisch die nicht minder lukrative Fischerei nach zahlreichen Hai-Arten im Mittelpunkt stehen. Weil die EU zwar das Stimmengewicht all ihrer Mitglieder einbringt, aber grundsätzlich als Einheit votiert, bedarf es einer mühseligen Einigung im Vorfeld. Die Konflikte sind heftig. Vor allem die Anrainerstaaten des Mittelmeers vertreten vehement die Interessen ihrer großen Fischereiflotten.

Trotzdem hat Deutschland die Europäer für den beim letzten Treffen gescheiterten Vorstoß gewonnen, den Handel mit dem Herings- und dem Dornhai global zu reglementieren, weil die Bestände drastisch zurückgegangen sind. In Deutschland kamen die geräucherten Bauchlappen des Dornhais lange unter der Bezeichnung "Schillerlocken" in den Verkehr; weil er im westlichen Mittelmeer bereits ausgerottet ist, hat die EU für 2010 ein Fangverbot erlassen.

Die USA drängen darauf, sechs weitere Hai-Arten unter Schutz zu stellen, von denen einige nur wegen der Flossen bejagt werden, die in Südostasien als Delikatesse gelten und horrende Preise erzielen. Die Fische werden, wenn sie nicht zu Fischmehl verarbeitet werden, nach der Amputation der Flossen lebend über Bord gekippt und verenden elend.

Angriff auf die kulturelle Identität

Ein weiterer Antrag der Vereinigten Staaten gilt dem Symboltier des Klimawandels, dem Eisbären. Der kommerzielle Handel soll komplett untersagt, die Einfuhr von Trophäen erschwert werden. Ein Jagdverbot existiert derzeit nur in Norwegen, Russland und den USA.

Die Zahl der Eisbären in weit voneinander getrennten Populationen wird auf 20.000 bis 25.000 geschätzt. Ihnen droht der Verlust von Lebensraum durch das schwindende Packeis; sind die Bestände einmal dezimiert, erholen sie sich schwer, weil alle drei Jahre nur zwei Junge zur Welt kommen.

Im Schatten des obligatorischen Streits um die Elefanten stehen weit kleinere, oft unscheinbare Exemplare der Flora und Fauna. In Doha geht es zum Beispiel auch um diverse Agamen, Leguane, Laubfrösche, Molche und Riesenkäfer, um den Schutz der Roten und Rosa Korallen und der Rosenholz-Bäume, die wegen ihres ätherischen Öls begehrt sind und nur noch in kleinen Zonen im Regenwald Amazoniens wachsen.

Am strengen Schutz der wildlebenden Tiger will kein Land rütteln - kein Wunder, die größte Raubkatze der Welt ist auf gerade mal 3500 Exemplare geschrumpft, verteilt auf 13 Länder. Ungefähr dreimal so viele Tiger leben in Gefangenschaft in Zoos oder Privatbesitz.

Oder in Zuchtstationen, die den Bedarf der traditionellen chinesischen Medizin befriedigen; sie schreibt fast allen Körperteilen der Raubkatze heilsame Wirkung zu. Die EU will deshalb erreichen, dass die Zucht nur noch zum Erhalt der Art zulässig ist, aber nicht zur wirtschaftlichen Verwertung. Die Chinesen sehen in dem Antrag eine Attacke auf ihre kulturelle Identität.

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SZ vom 13.03.2010/gal
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