Bedrohte Arten:Das Parfüm

Bedrohte Arten: Ein Mädchen verkauft Adlerholz auf einem Markt in Laos.

Ein Mädchen verkauft Adlerholz auf einem Markt in Laos.

(Foto: mauritius images / imageBROKER / Klaus-Werner Friedrich)

Leder, Erde und etwas Urin: Adlerholzbäume produzieren einen der teuersten Düfte der Welt. Aber nur, wenn sie mit Nägeln oder Bohrern malträtiert werden. Jetzt sind sie vom Aussterben bedroht.

Von Andrea Hoferichter

Mit seinem Feuerzeug bringt Claudio Cerboncini ein dunkelbraunes Stück Holz zum Glimmen und hält die Nase in den Rauch: "Ja, das ist eindeutig Adlerholz, auch als Oud oder Gaharu bekannt", sagt der Agrarwissenschaftler vom Forschungszentrum Jülich. Es riecht süßlich, nach Leder, Erde und - von professionellen Parfümeuren verbrieft - auch ein bisschen nach Urin und Kuhmist. Es ist der wohl teuerste Duft der Welt: Ein Kilogramm Adlerholz kann mehrere 100 000 Euro einbringen.

Die kostbare Aromakomposition steckt im Harz von verletzten oder pilzkranken Adlerholzbäumen. Die Pflanzen produzieren das Harz eigentlich, um Wunden damit zu verschließen. Ausgerechnet dieser Schutzmechanismus ist zur Gefahr für die Urwaldriesen in den Regenwäldern Südostasiens geworden. In einer Art Goldrausch haben Adlerholzjäger mittlerweile fast alle wilden Bestände gefällt.

Cerboncini will den Adlerholzbaum vor dem Aussterben retten. Dazu arbeitet er in einem vom Bundesforschungsministerium geförderten Projekt mit dem Duftstoffhersteller Symrise in Holzminden und der vietnamesischen Forstuniversität Hanoi zusammen. Die Wissenschaftler entwickeln künstliche Duftkopien und versuchen, die Qualität von Adlerholz aus Plantagenwirtschaft zu verbessern. "Außerdem suchen wir nach DNA-Markern, um die Grundlage für eine Zertifizierung von Adlerholz aus Plantagenwirtschaft zu schaffen, ähnlich dem FSC-Siegel für Möbel- und Terrassenholz", sagt Cerboncini.

Die Marker sollen bei Handelskontrollen helfen - und bei einer Bestandsaufnahme. Bisher ist nämlich unbekannt, wie viele wilde Adlerholzbäume und welche Arten es überhaupt gibt. "Unter diesen Voraussetzungen sind Exportquoten, wie sie zum Beispiel Indonesien festlegt, schlicht ein Witz", moniert der Jülicher Forscher. Zwischen 2005 und 2013 exportierte das Land nach Daten des Washingtoner Artenschutzabkommens (Cites) ganz legal 7000 Tonnen Adlerholz. Das entspricht etwa drei Millionen gefällten Bäumen.

Hinzu kommt der illegale Handel. "Er ist die wohl größte Bedrohung für die Wildbestände", heißt es im World Wildlife Crime Report der Vereinten Nationen. Die Autoren bemängeln unzureichende Kontrollen. Kleinere Holzstücke, zermahlenes Holz und aus dem Baumharz destillierte Öle seien besonders leicht zu schmuggeln. Sie gehen außerdem davon aus, dass nicht alles legal gehandelte Holz auch wirklich legal ist. Zum Beispiel könnten Plantagen missbraucht werden, um illegal geschlagene Bäume zu "waschen" und als Holz aus nachhaltigem Anbau in den Handel zu bringen.

Die Nachfrage ist größer denn je. Das schwere, harzhaltige Holz ist als Räucherware für religiöse Rituale begehrt, für ayurvedische und die traditionelle chinesische Medizin und als Luxusartikel. "Vor allem in arabischen Ländern und China ist Adlerholz ein Statussymbol wie ein Porsche oder Ferrari", sagt Cerboncini. Aus den herausdestillierten Ölen werden zudem hochpreisige Parfüme kreiert, auch für die westliche Welt.

Um den Ansturm auf die letzten Wildbestände zu bremsen, wurden in den letzten Jahrzehnten immer wieder Aufforstungs- und Plantagenprojekte finanziert, Hunderttausende Adlerholzbaum-Setzlinge in Gärten, Wälder oder inselartig zwischen Bananenstauden, Kakaobäumen und Ölpalmen gepflanzt. Wenn sie fünf, sechs Jahre alt sind, kann ihnen mit einer Art Baumfolter duftstoffhaltiger Harz entlockt werden. Die Farmer treiben dann Hunderte Nägel in die Baumstämme oder bohren Löcher, die sie anschließend mit Pilzpulvern füllen, um den Baum zu infizieren. Verschiedene Sets mit den nötigen Zutaten für die Baumbehandlung sind auf dem Markt.

Die Rezepturen sind allerdings oft geheim. Robert Blanchette von der University of Minnesota etwa präsentierte schon vor etwa zehn Jahren eine Mischung mit nicht näher deklarierten biologisch und chemisch wirkenden Inhaltsstoffen, die er seither über den Handelsverband Cultivated Agarwood LTD vertreibt und in mehreren südostasiatischen Ländern testet. "Es bräuchten keine wilden Urwaldbäume mehr geschlagen werden, wenn unsere Methode in großem Maßstab zum Einsatz käme", glaubt er. Chinesische Forscher wiederum schrieben 2013 im Fachblatt Molecules, sie könnten hochwertiges Adlerholz produzieren, indem sie einen Chemikaliencocktail in die wasserführenden Adern der Bäume injizieren.

Bisher allerdings konnte künstlich erzeugtes Adlerholz dem Handel mit Wildholz keinen Einhalt bieten. Dem UN-Bericht zufolge hat es oft nicht die gleiche Qualität wie das über Jahrzehnte in der Wildnis gereifte Pendant und wird zu viel niedrigeren Preisen gehandelt. "Häufig taugt es nur für Räucherstäbchen", bestätigt Cerboncini. Sein Team will deshalb nach Pilzkulturen und Verfahren suchen, mit denen sich die olfaktorische Qualität des Harzes verbessern lässt. "In den wilden Beständen werden die Bäume von verschiedenen Pilzkulturen befallen. Welche davon für den Duft des Holzes verantwortlich sind, wissen wir noch nicht", erklärt der Forscher. Unklar sei auch, welche Pilze für welche Baumarten und Regionen geeignet sind. Ganze Plantagen seien schon eingegangen, weil die Bäume mit ortsfremden Pilzen infiziert wurden. Schuld seien mancherorts auch die von Blanchette entwickelten Substanzen, vermutet Cerboncini. Blanchette bestreitet das.

Nur vermeintlich einfach ist es übrigens, den Geruch von Adlerholz im Labor zu produzieren, wie etwa Grapefruit-Aroma. Cerboncini zufolge sind mindestens 30 bis 40 Substanzen an dem charakteristischen Geruch beteiligt. Einige Stoffe hat der Projektpartner Symrise zwar schon dingfest machen können, aber längst nicht alle. Ob eine künstliche Kopie je gelingen wird, wagt der Forscher nicht vorherzusagen: "Der Duft von Adlerholz ist nach wie vor ein Mysterium."

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