Lithium-Ionen-Akku:Wie Wissenschaftler die Batterien der Zukunft entwickeln

Lithium-Ionen-Akku

Lithium-Ionen-Akkus bieten wenig Optimierungspotenzial und benötigen knappe Rohstoffe wie Kobalt.

(Foto: imago)
  • Lithium-Ionen-Batterien werden den weltweiten Energiebedarf bald nicht mehr decken können.
  • Die Technologie ist ausgereift und bietet wenig Optimierungspotenzial. Zudem werden wichtige Rohstoffe knapp.
  • Wissenschaftler wollen die Akkus der Zukunft enwickeln. Sie setzen unter anderem auf Spinnenblut und Erdnussschalen.

Von Reinhard Breuer

Ob für die Elektro-Mobilität oder als stationärer Zwischenspeicher für alternative Energien: Noch ist unklar, welche Technologie sich in der Batterietechnik künftig durchsetzen wird. Zwar ist der unbestrittene Marktführer seit vielen Jahren die Lithium-Ionen-Batterie (LIB). Aber Forscher schauen sich längst nach Alternativen um. Ihr Ziel ist eine Post-Lithium-Ära: Sie soll die Probleme der aktuellen Technologie lösen.

Natürlich müssten alternative Batterien der Zukunft alles erfüllen, was heute schon gefordert, aber kaum geboten wird. Als Automobil-Akkus sollten sie eine Reichweite von mindestens 500 Kilometer ermöglichen, binnen Minuten aufgeladen sein, eine lange Lebensdauer haben, viele Ladezyklen aushalten, technisch sicher und nachhaltig sein - und dennoch wenig kosten.

Das ist eine Herausforderung, denn der Trend zur Elektromobilität ist nicht zu bremsen. Die Internationale Energieagentur prophezeit, dass die Zahl der Elektro-Fahrzeuge bis zum Jahr 2020 von derzeit zwei auf 20 Millionen weltweit steigen werde, bis 2025 gar auf 70 Millionen. Die Regierung Chinas will, dass bis 2020 zwölf Prozent aller Autos im Lande elektrisch fahren, allein das wären mehr als 30 Millionen E-Fahrzeuge. Zudem haben Indien, etliche Staaten in Europa und andere Länder bereits angekündigt, sich langfristig von Benzin- und Dieselmotoren trennen zu wollen.

Dass diese Revolution mit Lithium-Ionen-Batterien alleine stattfinden kann, ist mehr als fraglich. Die Energiespeicher erzeugen Strom durch die Bewegung von Ionen und Elektronen. Beim Entladen wandern Lithium-Ionen durch einen flüssigen Elektrolyten von einer Elektrode (der Anode) zur anderen (der Kathode). Sobald die positiven Ionen an der Kathode negativ geladene Elektronen anziehen, fließen die Elektronen über eine Leitung außen herum zum Material, in dem die Ionen gespeichert sind. Dieser Prozess erzeugt den elektrischen Strom, der zum Beispiel einen Elektromotor antreibt.

Entscheidend für die Leistung des Akkus ist dabei die Kathode und ihr Material. Seit der ersten Lithium-Ionen-Batterie, die Sony 1991 auf den Markt brachte, wird ein substanzieller Teil der Kathoden aus Lithium-Kobaltoxid gefertigt. Das ist nicht ganz unproblematisch. "Das Kobaltoxid sorgt zwar für eine hohe Speicherdichte", sagt Maximilian Fichtner. "Aber Kobalt wird zu einem großen Teil durch Kinderarbeit gewonnen, es ist giftig und teuer - und es wird immer teurer." Ziel der internationalen Batterieforschung sei deshalb ein Nachfolger der Lithium-Technologie ohne Kobalt.

Die Lithium-Ionen-Technologie hat ihr Potenzial ausgeschöpft

Auf die Vorteile der LIB will man dabei allerdings ungern verzichten. "Sie ist eigentlich eine tolle Batterie. Lithium-Ionen sind klein, leicht und wandern schnell zwischen Anode und Kathode", meint Fichtner. Der Chemiker ist stellvertretender Direktor des Helmholtz-Instituts Ulm, mit 120 Mitarbeitern einer der bedeutendsten Standorte für Batterieforschung in Deutschland. Kooperationspartner sind das Karlsruher Institut für Technologie, die Universität Ulm, das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) sowie dem Zentrum für Sonnenenergie und Wasserstoff-Forschung in Ulm.

Die Lithium-Ionen-Technologie hat Fichtner zufolge jedoch ihr Potenzial ausgeschöpft: So hat sich die Kapazität der Lithium-Ionen-Batterie seit 1991 verdreifacht. Die Zahl der Ladezyklen ist von einigen Dutzend auf mehrere tausend bis zehntausend gestiegen. Und die Kosten sind auf ein Zwanzigstel gesunken. Dennoch wird das Kobalt in der Kathode in absehbarer Zeiträumen für Probleme sorgen, nicht nur wegen seiner Giftigkeit.

Chemisch ein Übergangsmetall ist Kobalt relativ selten und vorwiegend in Kongo oder Sambia zu finden. In den letzten zwanzig Jahren stieg die Kobaltförderung um das Fünffache, das Element wird auch für die Produktion von Stahl benötigt. Wenn das so weitergeht, wird Kobalt in wenigen Jahrzehnten zur unbezahlbaren Mangelware. Kein Wunder, dass Forscher längst versuchen, die benötige Menge in Lithium-Kathoden zu reduzieren oder das Kobalt zu ersetzen, etwa mit Nickel oder Mangan. Das senke den Gehalt zwar jetzt schon auf einige Prozent. "Aber irgendwann ist mal Schluss", sagt Fichtner, "weil das Ganze instabil wird."

Sollte die Elektromobilität stark wachsen, müsste zudem die Lithiumförderung zunehmen, auf etwa das Zehnfache der heutigen Menge. Das bereitet Philipp Adelhelm von der Universität Jena Sorge. Der Chemiker arbeitet sowohl an der Optimierung der LIB als auch an Alternativen. "Zweifelsohne wird bald schon die Wiederaufarbeitung von gebrauchten Lithium-Ionen-Batterien wichtig werden."

Natrium könnte Lithium ersetzen

Zugleich suchen Forscher nach Materialien für die Post-Lithium-Technologie. "Sie können auf unkritischen Elementen basieren wie etwa Natrium, Magnesium, Aluminium oder Kalzium." Unter mehreren Optionen ist offenbar die Natrium-Ionen-Batterie (NIB) vorläufig am weitesten gediehen.

Im Prinzip ähnelt sie der LIB, nur eben mit Natrium anstelle von Lithium. Die Kathode benötigt dann kein Kobalt mehr, das könne man mit anderen Stoffen machen. "Wir nennen das eine Drop-In-Technologie", erklärt Maximilan Fichtner. Für den Wechsel von Lithium zu Natrium muss man demnach technisch wenig verändern. Die ersten dieser Batteriezellen stehen vor der Serienreife.

Abgesehen davon, dass ein Natrium-Ionen-Akku völlig ohne Kobalt auskommt, bildet er ein technisch stabiles System mit hohem Wirkungsgrad. Zudem ist Natrium als Rohstoff besonders nachhaltig. Es steckt im Kochsalz, also in Meerwasser, oder in unterirdischen Salzstöcken. Ein Nachteil bleibt freilich: "Wir werden mit Natrium-Ionen niemals die Energiedichte von Lithium erreichen, weil Natrium-Ionen einfach größer und schwerer sind", erklärt Maximilian Fichtner. Für Elektroautos sei Natrium daher nicht ideal, für unbewegliche Energiespeicher von Windkraft- und Solaranlage oder Privathäusern aber mittel- und langfristig die bessere Option.

"Magnesium ist ein heißer Kandidat"

Im Elektromobil könnten dagegen Elemente wie Magnesium die Rolle von Natrium übernehmen, und zwar in Magnesium-Schwefel-Batterien. Forschern zufolge lassen sich mit dem Erdalkalimetall zumindest theoretisch höhere Speicherdichten erreichen als mit Lithium. "Magnesium ist ein heißer Kandidat, wenn es uns gelingt noch ein paar Probleme zu lösen - mehr Zyklen und bessere Energieeffizienz", sagt Fichtner. Für den Rohstoff wäre jedenfalls gesorgt. Magnesium gibt es in rauen Mengen, und Schwefel liegt oft einfach auf Halde, etwa in Entschwefelungsanlagen.

Magnesium ist nicht die einzige Alternative. So arbeiten US-Chemiker an Konzepten, Kobalt und Nickel in den heutigen Lithium-Batterien zu ersetzen. "Alternative Elektrodentypen aus billigen und gut verfügbaren Metallen wie Eisen und Kupfer sollten dringend entwickelt werden", fordern auch Konstiantyn Turcheniuk und Mitarbeiter vom Georgia Institute of Technology im Fachblatt Nature.

Um das Kobalt zu eliminieren, halten die Batterieforscher sogenannte Konversions-Materialien wie Kupfer- und Eisenfluoride sowie Silizium für die "beste Alternative". Diese würden die Lithium-Ionen chemisch speichern und sie nicht bloß, wie derzeit in der LIB-Technologie, physikalisch in den Elektroden festhalten.

"In solchen Konversions-Kathoden könnten bis zu sechsfach mehr Lithium-Ionen chemisch gespeichert werden als in Standardkathoden". Das klingt gut, doch funktioniert diese Technologie vorerst nur im Labor. "Noch brauchen diese Batterien zum Aufladen 20 Stunden - statt weniger als eine Stunde", sagt Turcheniuk. Auch koste das Laden noch ein Drittel mehr an Energie; und die Zahl der Zyklen müsse noch von fünf bis 500 auf ein- bis zweitausend gesteigert werden. Um das zu schaffen, sind also auch für die Konversions-Batterien noch etliche technologische Durchbrüche vonnöten.

Spinnenblut und Bioabfälle könnten den Forschern helfen

Aber zurück zum Hauptkandidaten der Speicherzukunft: der Natrium-Ionen-Batterie (NIB). Um deren Leistung zu steigern, haben sich die Helmholtz-Forscher in Ulm eine Besonderheit ausgedacht, die man in einem Akku nicht unbedingt erwarten würde: Stoffe, die man in Spinnenblut findet - und Bioabfälle. Das ist kein Witz, sondern angewandte Elektrochemie. "Elektroden aus organischen Naturstoffen brächten viele Vorteile", sagt Maximilian Fichtner. "Flexibles Design, gute theoretische Speicherdichten, einfache Verarbeitung, Sicherheit, Nachhaltigkeit und geringe Kosten, eigentlich ein Wundermaterial."

Organische Elektroden könnten in Lithiumbatterien genutzt werden, um den Kobaltanteil zu senken, aber eben auch in kobaltfreien Natrium-Batterien. Sie könnten, so hoffen die Wissenschaftler, die Ladezeit in Batterien der Zukunft drastisch reduzieren, die Kapazität erhöhen und dennoch über Tausende von Ladezyklen stabil bleiben. Ein Kandidat für organische NIB-Elektroden ist ein ringartiges Molekül, das Porphyrin. In der Natur kommt es in Chlorophyll, Blut und Vitamin B12 vor. In der Variante als Kupfer-Porphyrin steckt es im blauen Blut von Krebsen und Spinnen.

"Wir haben biologisches Kupfer-Porphyrin chemisch modifiziert und mit einem Trick stabilisiert", berichtet Fichtner. Man erreiche damit ähnliche Speicherkapazitäten wie mit Lithium und Natrium, außerdem mehrere tausend Ladungszyklen. "Die Performance ist außergewöhnlich. Man kann die Zelle in einer Minute beladen." Das ermögliche die Anwendung als Schnell-Ladebatterie für die Stabilisierung des Stromnetzes. Einziger bisher sichtbarer Nachteil sei, dass die neuen Zellen größer ausfallen.

Stecken in der kommenden Batteriegeneration Erdnussschalen?

Bioabfälle sind die andere Batterie-Innovation der HIU-Forscher: Äpfel, Maiskolben und Erdnussschalen, die bei extremer Hitze zersetzt, getrocknet und zerkleinert werden. Das pulvrige Produkt enthält vorwiegend Kohlenstoff und lässt sich auf den Minuspol der Batterie streichen. "Die Erdnussschalen funktionieren bislang am besten", sagt Maximilian Fichtner. Aber wie genau? Ein Teil der biologischen Mikrostruktur mit Fremdatomen, speziellen Poren und winzigen Hohlräumen bleibe im Pulver erhalten, erklärt der Forscher. Hier können die Natrium-Ionen eindringen. Es könnte ein Stoff für die nächste oder übernächste Batterie-Generation sein.

An Ideen mangelt es den Forschern jedenfalls nicht. Doch Chemiker wie Adelhelm von der Universität in Jena warnen zugleich vor allzu großer Euphorie: Für neue Batterien gebe es zwar eine Fülle von Ideen, aber auch viel heiße Luft. "Allzu häufig werden unkritisch Weltrekorde aufgestellt und unmittelbare Anwendungen in Aussicht gestellt."

Wissenschaftler sollten jedoch, wie Adelhelm sagt, "mutig genug sein, Vor- und Nachteile neuer Materialien gleichermaßen zu beleuchten." Viele der publizierten Materialien "mit raffinierten Strukturen" würden die niedrigen Kosten ausgereifter Lithium-Ionen-Batterien noch lange nicht erreichen.

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