Archäologie:Ein glückliches Händchen

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Eine Hand, fünf Finger, fünf proto-baskische Wörter: Die "Hand von Irulegi" verblüfft Forscher. (Foto: HANDOUT/AFP)

Auf einem 2100 Jahre alten Bronzeblech haben Wissenschaftler Wörter in der Sprache der Ur-Basken entdeckt. Das verändert den Blick auf die wohl rätselhafteste Sprache Europas fundamental.

Von Niccolò Schmitter

Was sich die Archäologen wohl gedacht haben, als sie im Juni 2021 diese Hand freigruben? Ein hübsches Ding, klar. Ein feines, hauchdünnes Blech aus Bronze in Form einer menschlichen Hand, circa 14 Zentimeter hoch und 13 Zentimeter breit, aus dem ersten Jahrhundert vor Christus. Wie sie früher wahrscheinlich ein Haus geschmückt hatte, wird sie heute ein Museum bereichern, als Ausdruck eisenzeitlicher Kunst des Stammes der Vaskonen.

Doch als das Forscherteam das bronzene Artefakt vom Schmutz der Jahrtausende befreit hatte, war klar: Das ist nicht einfach nur Kunst - das ist eine Sensation. Auf der Hand waren auf vier Zeilen verteilt fünf Wörter eingekratzt worden. Die Schrift gehörte zum iberischen System, nur welche Sprache wurde damit ausgedrückt? Nachdem die Inschrift freigelegt war, stürzte sich ein Team von Epigrafen und Linguisten auf die Hand. Mittlerweile sind sie sicher: Auf diesem bronzenen Blech befindet sich der erste schriftliche Beleg der Proto-Baskischen Sprache.

"Dieses Stück stellt unsere bisherige Vorstellung über die Vaskonen und ihrer Schrift auf den Kopf", sagt Joaquín Gorrochategui, Professor für indoeuropäische Linguistik an der Universität des Baskenlandes. "Wir waren fast schon überzeugt davon, dass sie analphabetisch waren und Schriftzeichen nur bei der Münzprägung genutzt haben."

Die Hand ist offenbar ein Glücksbringer aus der Eisenzeit

Wie der Name es bereits vermuten lässt, gelten die Vaskonen gemeinhin als Vorfahren der heutigen Basken, ihr Siedlungsgebiet stimmte wahrscheinlich räumlich mit der heutigen Provinz Navarra in Spanien überein. Die Sprache der Basken gilt als älteste isolierte, also nicht mit anderen Sprachen verwandte Sprache des Kontinents. Das Territorium der Vaskonen wurde im Laufe des ersten Jahrhunderts vor Christus in das römische Imperium einverleibt. Die Romanisierung hielt sich aber wohl in Grenzen, wie man an der noch heute vorherrschenden baskischen Kultur und Sprache erkennen kann. Über die Vaskonen gibt es bis auf einige wenige Nennungen durch römische Autoren keine literarischen Quellen, auch deshalb ging man davon aus, dass sie für ihre Sprache keine schriftliche Ausdrucksform besaßen.

Die derzeitigen Ausgrabungen, die seit 2017 von der gemeinnützigen Aranzadi Science Society auf dem Gipfel des Bergs Irulegi durchgeführt werden, haben nun das Gegenteil bewiesen. Hier, in der Nähe der navarresischen Hauptstadt Pamplona, hatte es mindestens seit dem elften Jahrhundert vor Christus eine vaskonische Siedlung gegeben, ehe sie während des Sertorianischen Krieges (83 bis 73 vor Christus) in der Zeit der Römischen Bürgerkriege niedergebrannt wurde. Die Häuser stürzten in sich zusammen und begruben dabei die Alltagsgegenstände der Vaskonen in sich - heute ist die Siedlung deshalb eine Schatzkammer für Archäologinnen und Archäologen.

Der Fundort der Hand: eine Festung in der Nähe von Pamplona. (Foto: ARANZADI/REUTERS)

Das nun als "Hand von Irulegi" bekannte Bronzeartefakt ist der mit Abstand bedeutendste Fund der Forschenden. Durch die Entzifferung des ersten Wortes "sorioneku" konnte die Schriftlichkeit der Vaskonen mit einem Schlag bewiesen werden. Für Linguisten, die sich mit den Ursprüngen der baskischen Sprache beschäftigen, hat die Hand daher einen unschätzbaren Wert. "Diese Inschrift ist unwiderlegbar", sagt Javier Velaza, der als Professor für lateinische Philologie der Universität Barcelona an der Entzifferung beteiligt war. Ihm zufolge stellt "sorioneku" einen Vorläufer des modernen baskischen Wortes "zorioneko" dar.

"Zorioneko" lässt sich am besten mit "viel Glück" oder auch mit "gutes Omen" übersetzen. Die Forscherinnen und Forscher gehen daher davon aus, dass die Bronzehand als Glücksbringer über dem Eingang zu einem der aus Lehmziegel gebauten Häuser angebracht war. Zum Leidwesen der vaskonischen Bewohner von Irulegi entfaltete die Hand ihre Wirkung als Glücksbringer aber erst mehr als zwei Jahrtausende später.

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