Ballonfahrt über die Arktis:Heißluft über dem Eis

"Ich beschaffe Daten von schwer zu erreichenden Orten": Jean-Louis Etienne will die Arktis im Ballon überqueren - und dabei Klimadaten sammeln. In Bildern.

Birgit Lutz-Temsch

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Auf fünfzehn Grad minus ist das Thermometer an diesem Morgen gefallen, gerade richtig für Jean-Louis Etienne: "Das sind ideale Testbedingungen für die Messgeräte, die ich mit auf meine Expedition nehmen werde." Der französische Abenteurer und Polarforscher steht neben einem Ballonkorb in den Hängen über Carroz d'Araches, einem Wintersportort in der Nähe des Mont Blanc und werkelt mit Karabinerhaken. Gleich wird der 63-Jährige zu einer Testfahrt aufbrechen. Etienne will im April von Spitzbergen zum Nordpol fahren - und weiter nach Alaska oder wohin auch immer der Wind ihn bringt. Allein. Sein Transportmittel ist ein Hybridballon, gefüllt mit 2200 Kubikmetern Helium und 500 Kubikmetern Heißluft, eine Konstruktion, die schon Steve Fossett, Bertrand Piccard und Brian Jones für ihre Weltumrundungen benutzt haben. Auf seinem mindestens 3500 Kilometer langen Weg wird Etienne die Kohlendioxid-Konzentration über dem arktischen Eis und das Magnetfeld der Erde messen.Foto: Birgit Lutz-Temsch

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In Frankreich kennt ihn jedes Schulkind. Etienne hat die Antarktis auf einer 6300 Kilometer langen Strecke durchquert und den Nordpol von Sibirien aus mit Skiern erreicht. Nebenbei besucht er Schulen, erstellt Unterrichtsmaterial, lädt Jugendliche in den Norden ein und erklärt, warum das Eis schmilzt. Der charismatische Polarfahrer erreicht die Menschen. "Die Wissenschaft braucht Persönlichkeiten wie Etienne", sagt Frédéric Chevallier vom Klima- und Umweltinstitut, das dem französischen Atomenergiezentrum untersteht. "Er schafft es, Menschen für Themen zu interessieren, die es sonst schwer haben."Foto: Birgit Lutz-Temsch

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Doch Chevallier nennt auch gute wissenschaftliche Gründe, wieso er die Expedition Etiennes unterstützt. "Es gibt CO2 -Messtationen in allen Teilen der Welt - nur nicht auf der enormen Fläche der arktischen Eiskappe", erläutert Chevallier. "Deshalb sind die Daten Etiennes nahezu einzigartig." Dabei sieht sich Etienne selbst ausdrücklich nicht als Wissenschaftler. "Ich beschaffe lediglich Daten von schwer zu erreichenden Orten."Foto: dpa

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Wenn es Etienne gelingt, Alaska zu erreichen, wird er der erste Mensch sein, der die Eisfläche der Arktis mit einem Ballon überquert hat. Alle bisherigen Versuche sind tragisch gescheitert: Der schwedische Ingenieur Salmon August Andrée etwa versuchte es 1897 ebenfalls von Spitzbergen aus, doch nach drei Tagen stürzte sein Ballon ab, der vom Regen feucht und zu schwer geworden war. Andrée und seine beiden Begleiter versuchten, sich zu einem Nahrungsmitteldepot nach Franz-Joseph-Land durchzuschlagen, starben aber nach drei Monaten auf der Insel Kvitoya. 1926 bewältigte der norwegische Polarforscher Roald Amundsen die Strecke, allerdings mit einem Zeppelin. Sein ehemaliger Partner Umberto Nobile wollte den Triumph 1928 alleine wiederholen, doch auch er stürzte ab. An der Suchaktion beteiligte sich auch Amundsen - und verschwand spurlos im Eis.Foto: dpa

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Fast hundert Jahre später ist es noch immer nicht einfach, die Arktis mit Luftschiffen oder Ballons zu erobern. So wollte Jean-Louis Etienne bereits 2008 den Nordpol mit einem Zeppelin überfliegen und dabei Eisdickenmessungen vornehmen. Doch dann zerriss ein Sturm das fragile Fluggerät nach jahrelangen Vorbereitungen in der letzten Testphase über Südfrankreich.Foto: Birgit Lutz-Temsch

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Die jetzige Expedition ist eine Nummer kleiner. Sie kostet wesentlich weniger, aber der Ballon kann nicht soviel Gewicht transportieren wie der Zeppelin. Etienne wird deshalb keine Daten mehr zur Eisdicke sammeln, das Gerät wäre zu schwer. Das CO2-Instrument hingegen ist ein kleines Rohr und wiegt nur 360Gramm. Etienne wird die Proben in bis zu 5000 Metern Höhe nehmen, ein Bordcomputer die Werte speichern und zusammen mit den Positionsdaten via Satellit an den Zentralcomputer der Expedition in Paris schicken.Foto: Birgit Lutz-Temsch

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"In dieser Region wird kein CO2 produziert", erklärt Chevallier. "Das dort gemessene Kohlendioxid stammt also aus südlicheren Gebieten, Industriezentren in Kanada zum Beispiel. Durch die Messungen erhoffen wir uns mehr Aufschluss darüber, wie viel Kohlendioxid der Polregion von außen zugeführt wird." Die Messdaten werden in Luftströmungsmodelle eingespeist, um die Herkunft des Treibhausgases zu ermitteln.Das zweite Gerät, ein Magnetometer, wird die Amplitude des terrestrischen Magnetfelds messen. Diese Daten sollen zur Klärung der Frage beitragen, wieso sich der magnetische Nordpol seit einigen Jahren mit einer stark erhöhten Geschwindigkeit von jährlich 60 bis 80 Kilometern pro Jahr in östliche Richtung verschiebt; früher waren es nur 20 bis 30 Kilometer. Zudem scheint die Stärke des Magnetfelds insgesamt abzunehmen. "Das kann die Intensität magnetischer Stürme beeinflussen, aber auch die Temperatur und das Klima", sagt Chevallier. "Die Messungen, die Etienne auf seinem Weg macht, sind für uns eine exzellente Informationsquelle, mehr über dieses Phänomen zu erfahren."Foto: Birgit Lutz-Temsch

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Schon in der kommenden Woche möchte Etienne in Richtung Spitzbergen aufbrechen. Der Start von der Insel ist um den 8. April herum geplant - sobald die Meteorologen verlässliche Luftströmungen in Richtung Nordpol vorhersagen. Dann wird man sehen, wohin der Wind Jean-Louis Etienne trägt.Foto: Birgit Lutz-Temsch(SZ/sueddeutsche.de/beu)

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