Bakterien:Die Achse der Resistenzen

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Einige Länder dämmen die Ausbreitung gefährlicher Erreger erfolgreich ein. In anderen Staaten verbreiten sie sich ungebremst. Wo die resistenten Keime am häufigsten sind.

Katrin Blawat

Innerhalb Europas schwankt der Anteil der Krankenhaus-Infektionen stark, die von multiresistenten Erregern verursacht werden. Allgemein liegen die Zahlen für den Süden und Westen Europas höher als für den Norden und Osten. Dies gilt auch für Infektionen mit MRSA (Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus), die in Europa sowie den USA, Nordafrika, dem Nahen und Fernen Osten die häufigsten multiresistenten Keime sind. In Deutschland kommen auf 100 gewöhnliche, das heißt gut zu behandelnde Staphylokokken-Infektionen, 25 mit der gefährlichen multiresistenten Variante. Damit liegt Deutschland europaweit im Mittelfeld (siehe Grafik).

MRSA-Verbreitung in Europa (Foto: SZ-Grafik)

Die Niederlande und die skandinavischen Länder gelten als Beleg dafür, dass sich der Anteil an multiresistenten Keimen mit wenig Aufwand reduzieren lässt. In den Niederlanden werden Risiko-Patienten vor der Aufnahme ins Krankenhaus mittels eines Schleimhautabstriches getestet, ob sie bereits MRSA in sich tragen. Die Patienten werden isoliert, bis das Testergebnis feststeht - im Falle eines positiven Ergebnisses auch danach. Genügend freie Krankenzimmer und eine gute Organisation sind also Voraussetzung für diese Prävention. Zudem verschreiben niederländische Ärzte seltener Antibiotika und halten die Hygienerichtlinien disziplinierter ein als ihre deutschen Kollegen.

Einen ähnlichen Test plant Frankreich für Personen, die aus einem ausländischen Krankenhaus in ein französisches verlegt werden. So sollen Patienten mit dem kürzlich aus Indien und Pakistan eingeschleppten, multiresistenten Bakterium identifiziert werden. Bisher kann Frankreich keine großen Erfolge im Kampf gegen multiresistente Keime aufweisen; MRSA sind dort häufiger als in Deutschland.

Seit sechs Jahren steigen die - allerdings immer noch niedrigen - Fallzahlen in Finnland und Dänemark; ähnliches berichten auch niederländische Krankenhäuser. Bisher verhinderten die skandinavischen Länder das Auftreten von Resistenzen weitgehend, indem Ärzte dort nur sehr selten Antibiotika verschreiben. In Norwegen und Schweden bleiben die Fallzahlen seit Jahren niedrig; MRSA machen weniger als ein Prozent der Staphylokokken in Krankenhäusern aus.

Auch die baltischen Staaten haben vergleichsweise wenig Probleme mit MRSA. In Estland liegt ihr Anteil seit Jahren bei unter zehn Prozent, in Lettland ist er innerhalb von drei Jahren von 25 auf acht Prozent gesunken.

In Zentral- und Osteuropa berichten Ärzte häufig von Penicillin-resistenten Pneumokokken, die Lungenentzündungen verursachen. In Deutschland sind diese Resistenzen kein großes Problem.

Beunruhigend ist die Situation in West- und Südeuropa; in einigen Krankenhäusern ist dort jeder zweite Staphylokokken-Keim multiresistent. In Griechenland und Portugal ist der Verbrauch an Antibiotika fast doppelt so hoch wie in Deutschland, da die Arzneien in diesen und anderen südlichen Ländern frei verkäuflich sind. Wegen der fehlenden ärztlichen Anleitung nehmen Südeuropäer Antibiotika zudem häufig zu kurz ein, was ebenfalls Resistenzen begünstigt.

In Großbritannien liegt derGrund für den hohen Anteil an MRSA vor allem in mangelnder Hygiene. Viele Ärzte legen die Vorschriften sehr sorglos aus, die Krankenhäuser sind oft alt und schmutzig. In einem Zimmer stehen oft mehr Betten als in Deutschland, und eine Schwester muss sich um mehr Patienten kümmern.

© SZ vom 21.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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