Süddeutsche Zeitung

Ökologie:Welcher Baum ist ideal für die Stadtbegrünung?

Lesezeit: 4 min

Städtische Bäume müssen nun dem Klimawandel trotzen. Das kann bedeuten, dass neue Arten gebraucht werden.

Von Claudia Henzler

Eine Reihe hoher Bäume mit ausladender dunkelgrüner Krone säumt eine kleine Straße in der Nähe des Stuttgarters Rathauses. Die Eberhardstraße wurde im vergangenen Jahr autofrei umgestaltet, Parkplätze wurden durch Grün und Sitzgelegenheiten ersetzt. Hier ist im Kleinen zu sehen, was viele Rathäuser des Landes momentan beschäftigt: Wie können sie mehr Grün in die Städte bringen, das in der Lage ist, auch dem Klimawandel zu trotzen?

Volker Schirner ist gelernter Gärtner und Gartenbauingenieur und muss sich diesem Problem mit jedem neuen Bauprojekt und jedem Baum stellen, den die Stadt ersetzen muss, weil der von einer Krankheit befallen oder alt und brüchig wurde und nicht mehr als verkehrssicher gilt. Zu Beginn seiner Karriere hat sich Schirner um den Berliner Tiergarten gekümmert. Jetzt ist er Leiter des Stuttgarter Garten-, Friedhofs- und Forstamtes und als solcher Herr über Hunderttausende Bäume.

Er kann sich noch erinnern, wie der Japanische Schnurbaum, für den er gerne die alte botanische Bezeichnung Sophora japonica verwendet, in den Achtzigerjahren zu einer Art Modebaum wurde. Damals hieß das drängende Problem in vielen Städten Luftverschmutzung, und die asiatische Baumart galt als unempfindlich gegenüber Schadstoffen wie Schwefeldioxid. In Stuttgart ist der Schnurbaum relativ häufig anzutreffen.

Die Baumart schlage sich auch klimatisch gut, sagt Schirner. Ihr Vorteil sind die fedrigen Blätter, über die weniger Wasser verdunstet als bei Linde oder Ahorn, weshalb die Bäume mit weniger Wasser zurechtkommen. Eigentlich also ideal für eine Innenstadt, die sich im Sommer so stark aufheizt wie die von Stuttgart. Doch die Sophora hat auch ihre Nachteile: Mit seiner ausladenden Krone ist der ausgewachsene Baum für enge Straßenschluchten nicht geeignet - auch weil die Äste brechen können, wenn der Wind durch die Gassen fegt. Um eine Allee zu schaffen, hätte man ihn umsetzen und durch schmalere Arten ersetzen zu müssen. Doch ausgewachsene Bäume zu entfernen, ist heute nicht besonders populär.

Spitzahorn und Kastanie leiden unter Trockenheit. Man wird sie künftig wohl seltener sehen

In der Eberhardstraße haben Schirners Mitarbeiter nun den hohen Schnurbäumen eine schmalere Art gegenübergesetzt. Es handelt sich um eine Ulme, die auch in ausgewachsenem Zustand ihre schlanke Krone behält. Ulmen waren wegen einer Pilzkrankheit in Deutschland fast verschwunden und erleben nun in einer resistenteren Variante ein Comeback.

Schmalkronige Arten, die weniger Wasser verdunsten und deren Wurzelballen mit wenig Platz zurechtkommen: Das ist eine der Strategien, mit denen sich städtische Fachleute auf den Klimawandel einstellen. Außerdem experimentieren viele Städte mit dem Thema Bewässerung. Sie setzen Substrate ein, die Wasser länger halten, und statten den Boden mit Wasserspeichern aus, die entweder über ein Drainagerohr vom Gießfahrzeug befüllt werden - oder die direkt an die Regenrinnen umliegender Häuser angeschlossen sind.

Viele Städte arbeiten auch mit wasserdurchlässigem Bodenbelag, um die Sickerflächen über den Wurzelballen zu vergrößern. In Stuttgart stehen seit diesem Jahr außerdem mehr Zeit und Personal für die Bewässerung zur Verfügung. Das Gartenamt fängt früher als bisher im Jahr mit dem Gießen an, um die Erde vor der Wachstumsphase zu sättigen. Außerdem konnte Schirner die Zahl seiner Gießfahrzeuge verdoppeln.

Zusätzlich suchen die Gartenämter nach Baumarten, die mit Trockenstress umgehen können. Der in Deutschland beliebte Spitzahorn und die Kastanie haben da ihre Probleme. Schirner ist jedoch überzeugt davon, dass auch diese Baumarten in deutschen Städten weiter zu sehen sein werden - allerdings in geringerem Anteil als heute. Man werde bei Nachpflanzungen stärker darauf achten müssen, welcher Baum für welchen Standort geeignet ist. Am Stuttgarter Schlossplatz zum Beispiel, wo Kastanien in einer parkähnlichen Umgebung auf Wiesenstreifen stehen, geht es ihnen gut. Auf dem gegenüberliegenden Karlsplatz, wo Kastanienbäume von Pflaster umgeben sind, schwächeln einige Exemplare sichtbar.

Die dominierenden Baumarten in den meisten deutschen Großstädten sind Linde und Ahorn. Mancherorts machen sie die Hälfte und mehr des Baumbestandes aus. In München beispielsweise handelt es sich bei etwa 70 Prozent der Bäume auf öffentlichen Flächen um Linde und Spitzahorn. In der bayerischen Landeshauptstadt hat das Baureferat im vergangenen Jahr eine Inventur und einen Entwicklungsplan in Auftrag gegeben. Ziel ist es, eine an den Klimawandel angepasste Mischung von Baumarten zu erreichen.

Allerdings weiß man nie, wann ein Schädling auftaucht und den vermeintlich optimalen Klimabaum befällt. Die Platane etwa, die in der Stuttgarter Innenstadt sehr präsent ist - allein in der zentralen Fußgängerzone stehen etwa 120 dieser mediterranen Bäume. "Sie wächst gut, ist unheimlich robust und ist dekorativ", sagt Schirner über die Baumart, die der Gartenbaumeister Peter Joseph Lenné schon vor mehr als 150 Jahren im Berliner Tiergarten gepflanzt hat. Leider ist vor einigen Jahren die Massaria-Krankheit aufgetaucht. Nun besteht die Gefahr, dass die schöne Platanen-Allee irgendwann befallen und dahingerafft wird. "Wir sind im Moment mit dem Nachpflanzen von Platanen sehr vorsichtig", sagt Schirner.

Welche Baumart wo gedeiht, und auch mit extremen Bedingungen wie einer dünnen Erdschicht über dem U-Bahnschacht oder einer sonnenbestrahlten Fußgängerzone zurechtkommt, wird seit Jahren deutschlandweit untersucht. Schon zur Zeit der stärkeren Luftverschmutzung haben Kommunen die Deutsche Gartenamtsleiterkonferenz (Galk) gegründet und Erfahrungen getauscht. Inzwischen hat sich der Fokus auf den Klimawandel verschoben.

Experten testen exotische Pflanzen ebenso wie alte fast vergessene Spezies

Die Galk ist verantwortlich für ein fortlaufendes Experiment, bei dem Städte von Hamburg über Stuttgart bis München neue Arten da anpflanzen, wo ohnehin Bäume gesetzt werden müssen. Sie dokumentieren dann über Jahre hinweg, wie sich die Spezies schlagen. "Aktuell testen wir 40 Baumarten", sagt Joachim Bauer, der das Projekt koordiniert. Die Ergebnisse fließen in eine Empfehlungsliste ein, die Kommunen und Baumschulen abrufen können.

Es geht dabei nicht nur um exotische Importe. Auf der Liste stehen auch überraschende Wiederentdeckungen wie der Feldahorn, der mit Trockenheit deutlich besser umgehen könne als der Spitzahorn, sagt Bauer. Für ihn ist die Pflanze ein heißer Kandidat für den Titel Zukunftsbaum. Aber auch den Japanischen Schnurbaum hält er nach wie vor für vielversprechend. Man muss ihn ja nicht unbedingt in einer schmalen Straße pflanzen.

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