Aufforstung:Eine Billion Bäume gegen den Klimawandel?

Herbstwald

Der Wald leidet selbst unter dem Klimawandel - und soll ihn nun bremsen.

(Foto: Patrick Pleul/dpa)
  • US-Präsident Donald Trump hat erklärt, seine Regierung wolle sich dem Vorhaben anschließen, weltweit eine Billion Bäume zu pflanzen.
  • Mit der Aufforstung wollen Umweltaktivisten auch die Erderwärmung bremsen, da Bäume Kohlendioxid binden.
  • Wissenschaftler vermuten jedoch, dass der Effekt kleiner ausfällt als erhofft. Zudem befürchten sie negative Auswirkungen auf Wasserressourcen und Lebensräume.

Von Christoph von Eichhorn

Es passierte nur ein Mal, dass Donald Trump für seine Rede in Davos Zwischenapplaus bekam: Da verkündete der US-Präsident vor dem Weltwirtschaftsforum, seine Regierung wolle sich dem Vorhaben anschließen, eine Billion Bäume zu pflanzen.

Das Wort Klimawandel vermied Trump zwar tunlich, doch haben viele Aufforstungsprojekte genau dies zum Ziel: Den Klimawandel zu bremsen, indem viele neue Bäume gepflanzt werden. Die Pflanzen sollen über ihre Fotosynthese Kohlendioxid (CO₂) aus der Atmosphäre entfernen und in Form von Blättern, Ästen, Wurzel, Stamm und Rinde als Biomasse binden.

Hunderte verschiedene Projekte

Zwar sehen Klimaforscher das Aufforsten prinzipiell als Möglichkeit an, die Erderwärmung zu mildern. Wie stark der Effekt ist und wo man überhaupt neue Bäume pflanzen könnte, hat aktuell jedoch eine große Kontroverse ausgelöst. Von dieser Diskussion ist auf der Webseite von "1t.org" allerdings nichts zu lesen. Diese Initiative hat das Weltwirtschaftsforum nun zum Bäumepflanzen gestartet, ihr will Trump sich offensichtlich anschließen. Die Plattform will nach eigenen Worten "eine weltweite Aufforstungs-Gemeinde von Millionen Menschen verbinden, stärken und mobilisieren".

Dabei gibt bereits so viele ähnliche Projekte, dass man leicht den Überblick verliert. So ist "1t.org" nicht zu verwechseln mit "Trillion Trees", einer Kampagne unter anderem des WWF. Diese ist zu unterscheiden von der "Trillion Tree Campaign", angesiedelt bei der Organisation "Plant-for-the-Planet". Auch die "Bonn Challenge" regt zum Bäumepflanzen an, 2021 beginnt zudem die "UN Dekade zur Wiederherstellung von Ökosystemen". Insgesamt seien hunderte Organisationen mit der Aufforstung von Wäldern beschäftigt, schreibt das Weltwirtschaftsforum - die neue Initiative soll sie vernetzen und politische Unterstützung für sie sammeln.

Zu optimistische Annahmen, fürchten manche, könnten die Klimapolitik fehlleiten

Doch ist die Grundidee geeignet, die Erderwärmung zu bremsen? Für sehr viel Schwung hat im vergangenen Jahr eine Studie der ETH Zürich gesorgt. Im Fachmagazin Science berechneten Umweltwissenschaftler um Jean-Francois Bastin, dass man auf der Erde eine Fläche von 900 Millionen Hektar mit Bäumen bepflanzen könne, in etwa die Fläche der USA. Damit ließen sich 205 Milliarden Tonnen Kohlenstoff speichern, so die Forscher. Ein Drittel aller von der Menschheit emittierten Treibhausgas-Emissionen könnten so aus der Atmosphäre zurückgeholt werden.

Auf diese Studie gab es etliche scharfe Reaktionen. So bezweifelt ein Team um Eike Lüdeling von der Universität Bonn in einem Kommentar in Science, dass sich tatsächlich auf einer so großen Fläche Bäume pflanzen lassen. So hemmten im Norden Skandinaviens, Amerikas oder Russlands Permafrost und kurze Vegetationsperioden den Wuchs von Bäumen. Andernorts sei Aufforstung nicht möglich, weil die Böden zu schlecht seien. Zudem lebten auf den Gebieten, die das Züricher Team als geeignet für neue Wälder ansieht, 2,5 Milliarden Menschen. "Übertrieben hoffnungsvolle Zahlen", fürchtet Lüdeling, "könnten die Entwicklung der Klimapolitik fehlleiten." Ein Team um Joseph Veldman von der Texas A&M University schätzt in einem anderen Kommentar, dass der mögliche Beitrag der Aufforstung in der Studie etwa um das Fünffache überschätzt wurde. So würde übersehen, dass auch unbewaldete Regionen wie Savannen im Boden große Mengen Kohlenstoff binden.

Am falschen Ort gepflanzt, können Wälder der Umwelt sogar schaden. Im Fachmagazin Trends in Ecology & Evolution sprechen Forscher von der Universität Kapstadt von einer "tiefgreifenden Missdeutung von Afrikas grasbedeckten Lebensräumen". Diese Savannen und Grasflächen hätten Millionen von Jahre bestanden, sie seien alles andere als "entwaldet" oder "degradiert", sondern Lebensraum für große Säugetiere. Globale Aufforstungs-Kampagnen basierten auf falschen Annahmen, mit dem bizarren Resultat, dass Gebiete wie die Serengeti und der Krüger Nationalpark als Ödland dargestellt würden.

Neue Wälder können die Wassermengen in Flüssen auf Jahrzehnte reduzieren

Konkret kritisieren die südafrikanischen Biologen das Projekt AFR100, bei dem hundert Millionen Hektar, größtenteils Savanne, aufgeforstet werden sollen, unterstützt auch von Deutschland. In Kamerun würde das bedeuten, ein Viertel der Landesfläche in Baum-Plantagen umzuwandeln.

Neue Wälder wirken sich auch auf den Wasserhaushalt aus. Im Fachmagazin Global Change Biology zeigte ein Forscherteam kürzlich, dass neue Wälder die Wassermenge nahegelegener Flüsse bis zu fünf Jahrzehnte lang beeinflussen. Nach 25 Jahren führten die Gewässer im Schnitt 38 Prozent weniger Wasser.

"Wälder wiederherzustellen ist sicher Teil der Klimalösung, aber es muss durchdacht sein", erklärt Karen Holl von der University of California. Eine Wunderwaffe sei das Bäumepflanzen nicht, und vor allem kein Ersatz für das Einsparen von CO₂-Emissionen an anderer Stelle.

Womöglich liegt der größte Wert der Aufforstung ja in der Politik, als Brücke zwischen Klimaskeptikern und Klimaschützern. Gegen Bäume hat immerhin weder Donald Trump was einzuwenden noch seine Partei. Soeben gab der republikanische Minderheitsführer im Repräsentantenhaus Kevin McCarthy eine Gesetzesinitiative bekannt, um in den USA Waldflächen wiederherzustellen. Name: der "Trillion Trees Act".

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