Autonomes Fahren:Algorithmus soll Autopiloten-Fehler verhindern

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Selbstfahrende Autos sollen mit einer Software sicherer gemacht werden. (Foto: Andrej Sokolow/dpa)

Ein neues System soll selbstfahrende Autos sicherer machen - und gerichtsfest. Aber funktioniert das in der Praxis?

Von Julian Rodemann

Wenn Wissenschaftler einen Paradigmenwechsel ausrufen, ist ihnen Aufmerksamkeit sicher und zusätzlich meist Kritik von Fachkollegen - so auch im Fall eines neuen Ansatzes im autonomen Fahren, den Forscher der Technischen Universität München am Montag im Fachjournal Nature Machine Intelligence vorgestellt haben. Die Informatiker um Christian Pek haben Algorithmen entwickelt, die während der Fahrt permanent mögliche Routen überprüfen und laut den Wissenschaftlern "stets juristisch sicher entscheiden", also immer einen Weg finden, der garantiert keinen Schaden verursacht.

Als juristisch sicher definieren Experten für autonomes Fahren solche Autos, die niemals Unfälle verursachen, vorausgesetzt, alle anderen Verkehrsteilnehmer halten sich an die Regeln - was freilich nicht immer zutrifft, wie jeder Fahrschüler weiß. Den Paradigmenwechsel sehen Pek und Kollegen nun darin, dass ihr System nicht - wie bisher - versucht, Schäden zu minimieren, sondern immer einen nach bestimmten Kriterien sicheren Weg vorschlägt.

Die Software bewältigt auch Situationen, die nicht bedacht wurden oder in Testläufen nicht vorkamen

Die Wissenschaftler nennen drei Gründe, wieso ihre Algorithmen das schaffen. Erstens überprüfen sie mögliche Fahrtwege während der Fahrt und nicht in Computersimulationen oder im Testbetrieb. Dabei berechnen sie legale Handlungen der anderen Verkehrsteilnehmer innerhalb von Sekundenbruchteilen - und vergleichen sie mit der Route des Autos. So kann ihre Software auch Situationen bewältigen, die während der Konstruktion nicht bedacht wurden oder in Testläufen nicht vorkamen.

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Außerdem merken sich die Programme eine Art Notfallroute, die sie wählen, wenn plötzlich ein Fußgänger über die Straße rennt oder ein Taxi mal wieder ruckartig abbremst. Drittens komme der Ansatz mit sehr vielen verschiedenen Routenplanern klar, schreiben Pek und Kollegen. Man kann sich Peks Programme wie einen Rahmen um bereits existierende Algorithmen vorstellen: Diese schlagen unterschiedliche Lenk- oder Bremsbewegungen vor, die dann vom neuen Münchner System einem Sicherheitscheck unterzogen werden. Selbst wenn die Gründe hinter den vorgeschlagenen Handlungen der Algorithmen schwer zu durchschauen sind, weil etwa maschinelles Lernen eingesetzt wird, können die möglichen Aktionen überprüft werden.

Ob tatsächlich ein Paradigmenwechsel bevorsteht, ist mehr als fraglich

Die Forscher testeten ihre Software an Verkehrssituationen, die von autonomen Fahrzeugen aufgezeichnet worden waren. Das System schnitt hier sehr gut ab. Doch nicht alle Fachkollegen lassen sich davon überzeugen, denn auch das neue Konzept kommt nicht ohne Annahmen aus: Es ist nur dann sicher, wenn die Sensoren des Autos andere Fahrzeuge richtig erfassen - ein altbekanntes Problem. "Die Annahmen mögen sich für eine kurze Passage im öffentlichen Straßenverkehr - wie hier dargestellt - durchaus bewähren, aber was ist das schon im Vergleich zu den Milliarden Kilometern, die man für einen aussagekräftigen Erfahrungsschatz benötigt?", sagt Hermann Winner von der Technischen Universität Darmstadt.

Ob der Forschung zur sicheren autonomen Routenplanung also tatsächlich ein Paradigmenwechsel bevorsteht, ist mehr als fraglich. Ausrufen oder verkünden lässt sich ein solcher Wechsel im Übrigen ohnehin nicht, auch wenn Forscher und Journalisten das immer wieder allzu leichtfertig tun. Der Begriff stammt aus der Feder des berühmten Physikers und Wissenschaftsphilosophen Thomas S. Kuhn, der mit dem heute geflügelten Wort etwas meinte, das bewusst nicht zu steuern ist: epochale Denkmuster, die abgelöst werden, ohne dass jemand explizit dazu aufruft.

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