Australiens Tierwelt:Sexueller Betrug an der Tagesordnung

Rotschwanzkuckuck

Der Rotschwanzkuckuck schiebt fremden Wirtsvögeln seine Eier unter

(Foto: Aviceda / Wikimedia / CC-by-SA)

Tricksen, Tarnen und Täuschen: Australiens Natur ist die Hochburg des biologischen Betrugs. Doch wieso entstand gerade dort so eine fiese Fauna?

Von Susanne Wedlich

Niedliche Koalabären, hüpfende Kängurus, seltsame Schnabeltiere - die Natur Australiens gilt als exotisch. Und als extrem gefährlich: Dort leben die giftigsten Schlangen und größten Krokodile der Welt. Nun haben Wissenschaftler eine weitere Besonderheit der dortigen Flora und Fauna entdeckt.

In einem Aufsatz vertritt ein Forscherteam um die Biologin Marie Herberstein von der Macquarie University in Sydney die These, dass der australische Kontinent auch eine Hochburg des biologischen Betrugs sei (Behavioral Ecology, Bd.25, S.1, 2014): Demnach ist unter den dortigen Tieren und Pflanzen das Tricksen, Tarnen und Täuschen besonders weitverbreitet.

Falsche Orchideen locken Insekten

Die Wissenschaftler berufen sich in ihrer Argumentation auf eine Analyse von drei Beispielen. So blühe in der Blumenwelt Australiens der sexuelle Betrug. Mehrere Hundert Orchideenarten haben sich darauf spezialisiert, liebeshungrige Wespenmännchen zu betrügen. Wo andere Pflanzen ihre Bestäuber in fairer Weise mit Nektar belohnen, ähneln diese Orchideen den entsprechenden Weibchen in Gestalt, Farbe und Geruch. Docken die Männchen an, werden sie mit Pollen bedeckt, den sie auf die nächste falsche Braut übertragen. Sexuell manipulative Orchideen gibt es auch in Europa, aber längst nicht in dieser Vielfalt. Fast die Hälfte aller derartiger Trickbetrügerinnen findet sich in Down Under.

Krabbenspinnen bauen keine Fangnetze, sondern warten als sogenannte Lauerjäger auf Beute. Europäische, amerikanische und afrikanische Angehörige dieser ungewöhnlich großen Spinnenfamilie passen sich deshalb der Farbe der Blüte an und hoffen, unbemerkt zu bleiben. In Australien hingegen finden sich Krabbenspinnen, die stattdessen besonders viel UV-Licht mit ihrem Körper reflektieren. Für Beutetiere ist dieses Leuchtfeuer fast unwiderstehlich: Die Pollen übertragenden Insekten landen bevorzugt auf spinnenbewehrten Blüten. Es wird dann ihre letzte Landung.

Brutpflege wird outgesourct

Natürlich findet sich auch der bekannteste Falschmünzer der Tierwelt in überproportional großer Zahl: 20 Prozent aller brutparasitären Kuckucke der Welt leben in Australien - also deutlich mehr als bei der relativen Größe des Landes statistisch zu erwarten wäre. Die Vögel lagern die Brutpflege aus, indem sie ihre Eier in fremde Nester legen. Damit die unfreiwilligen Adoptiveltern keinen Verdacht schöpfen, sind die Eier dem Wirtsgelege farblich angepasst, und auch die Kuckuckskinder ähneln den neuen Geschwistern in Kleid und sogar im Ruf.

Unfehlbar aber ist der Trickbetrug nicht, weil die falschen Eier immer mal wieder erkannt und abgelehnt werden. Dies hängt aber wohl nicht vom Zufall ab. Einer älteren Studie zufolge sind die australischen Kuckucksarten beim betrügerischen Outsourcing deutlich erfolgreicher als etwa ihre europäischen Artgenossen.

Ein dafür verantwortlicher Faktor könnte sein, dass die Wirtsvögel während der langen Brutsaison in Australien - anders als in Mitteleuropa - mehrere Gelege pro Jahr versorgen können. Möglicherweise verringert dies den Druck, fremde Eier ausfindig machen zu müssen. Sie können sich ihre Energie für andere Dinge sparen.

Begünstigte Australiens Isolation eine fiese Fauna?

Hier deutet sich an, dass sich unter den Umweltbedingungen Australiens, allgemeine Mechanismen entwickelt haben, die selbst bei ganz unterschiedlichen Organismen den biologischen Betrug begünstigen. Nach Ansicht von Herberstein und ihren Kollegen liefert die 35 bis 40 Millionen Jahre dauernde evolutionäre Isolation Australiens einen Erklärungsansatz. In dieser Zeit war der Kontinent vom Rest der Welt weitgehend abgeschnitten, außerdem herrschte vermutlich ein mediterranes bis tropisches Klima. In dieser Situation konnte sich ungestört eine Vielzahl typisch australischer Arten entwickeln. Erst relativ spät wanderten vor allem aus Asien neue Tiere und Pflanzen ein. Die biologischen Betrüger unter ihnen könnten sich dann besonders schnell verbreitet haben, weil die potenziellen Wirtstiere auf diesen Angriff überhaupt nicht vorbereitet waren.

Es ist eine zumindest plausible Theorie: "Ganz grundsätzlich scheinen die Argumente der Arbeit gut nachvollziehbar", sagt der Biogeograf Carl Beierkuhnlein von der Universität Bayreuth. "Australien zeichnet sich beispielsweise auch durch eine überproportional hohe Anzahl giftiger Arten aus, was ebenfalls als Konsequenz langer Isolation und entsprechender Evolution zu verstehen ist."

Zusätzlich dürften die Trockenheit Australiens, die kargen Böden und die häufigen Buschfeuer eine Rolle gespielt haben. Wo die Ressourcen knapp sind, bringen bereits geringe Energieeinsparungen große Vorteile beim Überleben und Fortpflanzen, sodass sich Betrug eher lohnt: Vögel lagern die Brutpflege aus; Blumen versagen ihren Bestäubern den Nektar, stattdessen zahlen sie mit gefaktem Sex. Die Buschfeuer wiederum fressen Schneisen in die Biotope und können derart die Auskreuzung von Orchideensamen über größere Distanzen erleichtern.

Trotz solch eingängiger Überlegungen sprechen die Forscher um Herberstein vorsichtig von einem Ideenpapier. Sollte der Ansatz stimmen, müsste es auch in ökologisch ähnlichen Ländern - etwa in Südafrika - besonders viele sexuell betrügerische Orchideen geben.

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