Süddeutsche Zeitung

Australien:Wale müssen Surfern weichen

An der Goldküste in Australien werden für Surfer Sandbänke aufgeschüttet, seither meiden Buckelwale das Gebiet. Wissenschaftler und Umweltschützer macht das wütend.

Von Urs Wälterlin, Gold Coast

Eigentlich ist in diesen Wochen Hauptsaison für Walfreunde an Australiens Ostküste. 25 000 Buckelwale schwimmen hier jedes Jahr entlang, von den kalten Gewässern des antarktischen Ozeans in die tropische Wärme des Barrier Reefs, um sich dort zu vermehren. Die Bucht vor Gold Coast, der Goldküste im Bundesstaat Queensland, dient ihnen dabei als Rastplatz. Das lockt Touristen aus aller Welt an, wer Wale beobachten will, ist hier genau richtig.

Eigentlich. Olaf Meynecke, Meereswissenschaftler und Wal-Experte an der Griffith University in Brisbane, sagt: "Die Wale finden ruhige Gewässer, um sich auszuruhen, weil das Wasser nicht besonders tief ist." Die Tiere unterhalten sich lebhaft, wie seine Aufnahmen mit dem Unterwassermikrofon zeigen. Sie fühlen sich wohl im sandigen Boden, mit ausreichend Nahrung und: Ruhe.

Doch seit einigen Monaten donnert es unter Wasser. Ein 111 Meter langes Baggerschiff holt direkt vor der Küste Sand vom Meeresboden, einem gigantischen Staubsauger gleich, und entlädt ihn in Strandnähe. Ein langer Strahl aus Sand und Muscheln prasselt aufs Wasser. So will die Lokalbehörde Sandbänke wiederaufbauen, die im Lauf der Zeit durch die natürliche Erosion abgetragen wurden, direkt vor den Stränden des Ortsteils Surfers Paradise. Denn, der Name verrät es schon: Die Goldküste ist nicht nur ein Paradies für Walbeobachter, sondern auch für Wellenreiter. Und weil Surfer für ihren Sport möglichst hohe, lange Wellen wollen, die durch Felsen, Untiefen oder Unebenheiten im Wasser entstehen, werden nun Sandbänke künstlich aufgeschüttet. Der Hauptgrund dafür sind augenscheinlich die Commonwealth-Spiele. Die Sportveranstaltung findet im kommenden Jahr in Gold Coast statt, und das Surferparadies will seinem Namen gerecht werden. Allerdings gefährdet es damit seinen Ruf als Paradies für Walfreunde.

Denn auch die Walbeobachtung ist an der Goldküste ein Millionengeschäft. Bis zu fünf Schiffe pro Tag laufen aus, jedes mit Hunderten Touristen mit gezückten Smartphones an Bord, 80 Euro kostet die Tour, Souvenirs nicht mitgerechnet.

Alle Umweltauflagen würden erfüllt, erklären die Behörden

Jason Miley, Kapitän bei Gold Coast Adventures, schippert seit 15 Jahren Besucher aus aller Welt auf dem Schiff vor die Küste. Was er erlebt, seit der Mega-Staubsauger in der Bucht ist, beunruhigt ihn: "Die Wale machen einen immer weiteren Bogen um das Gebiet." Normalerweise würden die Tiere in unmittelbarer Nähe zur Küste schwimmen, nur zwei bis drei Seemeilen entfernt. Jetzt finde man sie eher in sieben Seemeilen Entfernung, fast 13 Kilometer. "Der Lärm des Baggerschiffs vertreibt sie", sagt der Kapitän.

Aus der Frage, ob das Meer nun für die Wale oder die Surfer da ist, und welche Touristen in Australiens wichtigster Urlaubsregion bevorzugt werden, wird derzeit ein großer Streit. Die Behörden der Goldküste haben sich bereits gewappnet: Sie würden alle notwendigen Umweltschutzbedingungen erfüllen, heißt es in einer Stellungnahme. Auf die Wale werde Rücksicht genommen, ein Beobachtungsteam sei eingesetzt, um das Verhalten aller Meeressäuger zu studieren. Auch auf dem Baggerschiff selbst säßen Beobachter, Tag und Nacht.

Laut Meeresbiologe Meynecke ist das nicht genug. "Das ist ein großes Schiff, das schon allein durch den Motor unglaublichen Lärm erzeugt", sagt er. Es gebe mehrere Studien, die besagen, dass Wale schon "bei geringstem Lärm ausweichen" - oder irgendwann einfach ganz wegbleiben. Der Wissenschaftler und sein Team sammeln nun selbst eigene Daten zum Verhalten der Wale an der Goldküste.

Olaf Meynecke glaubt, dass die künstlichen Sandbänke ohnehin nicht lange halten werden. Der Klimawandel beschleunige die Erosion, sagt er. "Es gibt Probleme mit dem Meeresspiegelanstieg und mit extremen Wetterverhältnissen." Probleme, die sich in der Zukunft zuspitzen würden.

Die Sandbänke müssten demnach immer häufiger neu aufgebaut werden. Dann könnte das Baggerschiff in den kommenden Jahren regelmäßig die berühmte Wolkenkratzerkulisse von Surfers Paradise ergänzen.

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Quelle:
SZ vom 28.08.2017
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