Radioaktive Kapsel in Australien:"Die Suchtrupps haben buchstäblich die Nadel im Heuhaufen gefunden"

Radioaktive Kapsel in Australien: Fahrzeuge in der Nähe des Fundortes der Kapsel.

Fahrzeuge in der Nähe des Fundortes der Kapsel.

(Foto: HANDOUT/AFP)

Die Nuklearsicherheitsbehörde Australiens unterstützte die tagelange Suche nach der radioaktiven Kapsel. Nachdem sie nun gefunden wurde, gibt es viele offene Fragen.

Von Corinna Melville

Nach tagelanger Suche haben Fachleute die winzige radioaktive Kapsel wiedergefunden, die im Westen Australiens von einem Transportlaster gefallen war. Einsatzteams der australischen Behörde für radioaktiven Schutz und nukleare Sicherheit (ARPANSA) und der Feuerwehr hätten die sehr gefährliche Kapsel südlich der Bergbaustadt Newman im Outback entdeckt, berichtete der Sender ABC am Mittwoch unter Berufung auf die Regierung des Bundesstaates Western Australia.

"Ich möchte betonen, dass dies ein außergewöhnliches Ergebnis ist", sagte der Regionalminister für Notdienste, Stephen Dawson. "Die Suchtrupps haben buchstäblich die Nadel im Heuhaufen gefunden."

Die Mini-Hülse mit hoch radioaktivem Cäsium-137 war beim Transport auf der 1400 Kilometer langen Strecke zwischen den Rio-Tinto-Bergwerken in der Pilbara-Region im Norden und der Metropole Perth von einem Lastwagen gefallen. Der Vorfall ereignete sich irgendwann nach dem 12. Januar. Dass die Sicherheitshülle leer war und die Kapsel fehlte, wurde erst am 25. Januar beim Entladen des Lkws bemerkt.

Radioaktive Kapsel in Australien: Die Illustration zeigt eine kleine runde, silberne Kapsel mit radioaktivem Cäsium-137 im Größenverhältnis zu einer Münze.

Die Illustration zeigt eine kleine runde, silberne Kapsel mit radioaktivem Cäsium-137 im Größenverhältnis zu einer Münze.

(Foto: -/dpa)

Zeitweise wurde befürchtet, sie könne sich im Profil eines vorbeifahrenden Fahrzeugs auf dem Great Northern Highway festgesetzt haben oder unter Reifen zermahlen worden sein. Die Route ist stark frequentiert von australischen Road Trains - riesige Lastwagen mit mehreren Anhängern und einer Länge von bis zu 100 Metern.

Nun wurde die Kapsel jedoch nach Angaben von Feuerwehrsprecher Darren Klemm zwei Meter neben der Straße gefunden. Mit an Fahrzeugen montierten Suchgeräten fuhren Spezialisten den Great Northern Highway in beide Richtungen ab. Die Detektoren können die Kapsel bereits mit einem Abstand von bis zu zehn oder 15 Metern ausmachen. Um den Fundort herum wurde eine 200 Meter große Sicherheitszone errichtet. Die Kapsel wurde in einem Bleicontainer gesichert und soll über Nacht an einem sicheren Ort in Newman gelagert werden. Am Donnerstag wird sie zu einer Einrichtung des Gesundheitsministeriums transportiert und dort auf eventuelle Schäden untersucht.

Die acht mal sechs Millimeter große Kapsel enthält radioaktives Cäsium-137 und emittiert Beta- sowie Gammastrahlung. Derartige Hülsen werden häufig zur Dichte- oder Füllstandsmessung in Anlagen im Bergbau sowie im Öl- und Gassektor eingesetzt. Laut des Dienstleisters Radiation Services SA sind solche Strahlenquellen und ihre Gehäuse so konzipiert, dass sie - abgesehen von regelmäßigen Überprüfungen - 15 Jahre lang ohne jegliche Wartung installiert bleiben können. Wie lange die Kapsel bereits im Einsatz war, ist unklar.

Cäsium-137 hat eine Halbwertszeit von 30 Jahren; nach rund drei Jahrzehnten stößt es also nur noch die Hälfte seiner anfänglichen Radioaktivität aus. Geht man von ihrer ursprünglichen Radioaktivität aus, beträgt die Strahlung der Kapsel in einem Abstand von einem Meter 1,665 Millisievert pro Stunde.

Radioaktive Kapsel in Australien: Foto der Cäsium-Kapsel an ihrem Fundort am Straßenrand.

Foto der Cäsium-Kapsel an ihrem Fundort am Straßenrand.

(Foto: HANDOUT/AFP)

In Deutschland schätzt das Bundesamt für Strahlenschutz die gesamte natürliche Strahlenexposition oder effektive Dosis einer Einzelperson mit durchschnittlich 2,1 Millisievert pro Jahr ein, sie kann je nach Wohnort, Ernährungs- und Lebensgewohnheiten zwischen ein bis zehn Millisievert variieren. Dementsprechend wäre ein Mensch, der sich eine Stunde lang in einem Abstand von einem Meter von der Kapsel aufhält, einer Strahlung von etwa 80 Prozent der natürlichen jährlichen Strahlung ausgesetzt.

Die Gesundheitsbehörde warnte die australische Bevölkerung, beim Fund der Kapsel oder auch nur bei verdächtigen Gegenständen einen Abstand von mindestens fünf Metern zu halten und sie auf keinen Fall aufzuheben. Das Berühren der Kapsel könne zu Hautverbrennungen und schweren Gesundheitsschäden führen, warnte ein Sprecher der Gesundheitsbehörde.

Fiel die Kapsel durch ein Loch im Transportcontainer?

Unterdessen rückt der rätselhafte Verlust der Kapsel die mangelnden Konsequenzen für den Verstoß gegen Sicherheitsvorschriften im Bergbau in die öffentliche Diskussion. Laut bundesstaatlicher Regelungen beträgt die Höchststrafe für das Versäumnis, radioaktives Material sicher zu lagern, zu verpacken und zu transportieren, 1000 australische Dollar, etwa 650 Euro. Australiens Premierminister Anthony Albanese bezeichnete das derzeitige Bußgeld als lächerlich. Zumindest galt das Verschwinden der Kapsel nicht als verdächtig. Dass sie als Waffe benutzt werden könnte, schlossen die Behörden aus.

Der britisch-australische Bergbauriese Rio Tinto hatte sich für den Vorfall entschuldigt. Der Konzern betreibt die Gudai-Darri-Mine, von wo aus die Kapsel transportiert wurde. Rio Tinto hatte nach eigenen Angaben einen Drittanbieter mit entsprechendem Fachwissen und Zertifizierung beauftragt, die Kapsel - die kleiner als eine Ein-Eurocent-Münze ist - sicher zu verpacken. "Es ist mir ein Rätsel, wie so etwas von der Ladefläche eines Lastwagens fallen kann", hatte Minister Dawson zuvor erklärt. Zu dem Vorgang laufen Untersuchungen.

Es wird angenommen, dass sich im Container durch die Vibrationen bei der Fahrt ein Bolzen gelöst hat und die Mini-Hülse durch das Bolzenloch fiel. Es gilt als unwahrscheinlich, dass es zu einem juristischen Verfahren kommen wird. Derzeit versucht die Regierung von Westaustralien aber zu klären, wie die teure und aufwendige Suche bezahlt werden soll.

Mit Material von dpa

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