Klima:Warum Teile Australiens in den Fluten versinken

Klimawandel: Hochwasser in Victoria, Australien

Hochwasser tritt in Australien über die Ufer des Flusses Loddon in Victoria.

(Foto: Brendan Mccarthy/dpa)

Vor allem der Süden und Osten des Kontinents erleben schwere Überschwemmungen. Grund ist das Wetterphänomen La Niña - aber nicht nur.

Von Corinna Melville

Hausdächer knapp über der Wasseroberfläche, Vieh kilometerweit von den Farmen weggespült: Weite Teile des südlichen und östlichen Australiens versinken derzeit in den Fluten. In fünf der acht Bundesstaaten und Territorien gelten derzeit Flutwarnungen. Der längste Fluss Australiens, der Murray River, verzeichnet in Victoria neue Höchststände und überschwemmt weit über seine Ufer hinaus Städte, Dörfer und landwirtschaftliche Flächen, was die Nahrungspreise weiter in die Höhe treiben könnte.

Mehr als ein Drittel aller Regierungsbereiche im Bundesstaat New South Wales erklärte im Oktober den Katastrophenzustand. Zigtausende Bewohner der Stadt Lismore an der Ostküste wurden am vergangenen Wochenende abermals zum Verlassen des Ortes aufgerufen. Viele davon steckten mitten im Wiederaufbau ihrer Häuser, denn erst im Februar und März war die 44 000-Einwohner-Stadt gleich zweimal im Hochwasser versunken. Zu ihrer großen Erleichterung blieb der Wasserspiegel in dieser Woche unter dem befürchteten Niveau - zumindest diesmal.

Drei Jahre am Stück La Niña gab es zuletzt vor 21 Jahren

Ein Auslöser der heftigen Regenschauer, die seit Jahresbeginn auf den roten Kontinent hinabprasseln, ist La Niña, das Mädchen, ein Wetterphänomen, das in und um den Pazifik seit eh und je den Takt angibt. In La-Niña-Zeiten wehen ungewöhnlich starke Passatwinde über dem tropischen Pazifik, die das warme Wasser an der Meeresoberfläche von der Westküste Südamerikas über den Ozean an die Ostküste Südostasiens und Australiens treiben. Weil aus der Tiefe vermehrt kaltes Wasser nach strömt, ist der östliche Teil des Pazifiks ist somit kühler als gewöhnlich, was für absinkende Luftbewegungen und trockenes Wetter sorgt. Im Westen bleibt das Wasser aber warm, die Luft steigt auf und bringt mehr Niederschläge über dem Festland mit sich.

La Niñas Zwillingsbruder El Niño hat den umgekehrten Effekt: Die Oberflächenwinde über dem tropischen Pazifik sind dann schwächer als gewöhnlich. Der Regen fällt auf Peru, während Australien unter wolkenlosem Himmel in der Sonne schmort und sich die Gewässer erhitzen. Massenkorallenbleichen treten hier oft - wenn auch nicht immer - während eines El-Niño-Jahres auf.

Die entgegengesetzten Wetterphasen pendeln im Durchschnitt etwa alle drei bis sieben Jahre hin und her. El-Niño-Südliche-Oszillation, kurz ENSO, nennt man dieses Phänomen. In der Regel dauert La Niña nur ein oder zwei Jahre, in diesem Jahr aber ist es das dritte solche Wetterereignis in Folge. Eine solche "Triple-Dip La Niña" wurde zuletzt in den Jahren 1973 bis 1976 sowie von 1998 bis 2001 verzeichnet. Je länger ein La-Niña-Ereignis anhält, desto stärker sind die Auswirkungen, sind die Flussbetten doch bereits gefüllt. Dann können schon kleinere Regenschauer Überschwemmungen auslösen.

Die australische Wissenschaftsorganisation CSIRO rechnet damit, dass sich extreme La-Niña-Events in diesem Jahrhundert häufen, angekurbelt vom Klimawandel. Durchschnittliche Temperaturen in Australien sind im Zeitraum 1910 bis 2020 um etwa 1,47 Grad Celsius gestiegen. "Die Häufigkeit extremer La-Niña-Ereignisse wird voraussichtlich von einem Ereignis in je 23 Jahren im Zeitraum 1900 bis 1999 auf ein Ereignis in je 13 Jahren im Zeitraum 2000 bis 2099 ansteigen", so Wenju Cai von der CSIRO. "Extreme El-Niño-Ereignisse begünstigen die Entwicklung extremer La-Niña-Ereignisse, so dass von einem Jahr zum nächsten häufigere Schwankungen zwischen den entgegengesetzten Extremen zu erwarten sind."

Der viele Regen macht alles grün - doch das birgt Gefahr

Temperaturmessungen der Wasseroberfläche in verschiedenen Teilen des Pazifiks geben Einblicke in die nähere Zukunft: Das International Research Institute for Climate and Society geht mit 75-prozentiger Wahrscheinlichkeit davon aus, dass La Niña noch weit in den australischen Sommer (Dezember bis Februar) hinein präsent bleiben wird.

"Da die Flüsse und Dämme bereits voll und Einzugsgebiete nass sind, kann jeder Regenfall in Ostaustralien zu großflächigen Überschwemmungen führen", warnt die australische Wetterbehörde. Dazu drohen im Norden des Kontinents ungewöhnlich viele Zyklone, die ersten könnten bereits im November das Land weiter aufwirbeln.

Am Rande der Flutgebiete leuchten Wälder und Wiesen heute in sattem Grün, treibt der nasse Frühling doch allerorts das Wachstum an. Ein Anblick, der bei vielen Australiern weitere Alarmglocken klingeln lässt. Denn was zu viel Vegetation anrichten kann, weiß man hier spätestens seit dem Grauen des "Black Summers", als riesige Teile Australiens von Flammen verschluckt wurden.

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