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Ausbreitung der Schweinegrippe:WHO verschärft Pandemie-Warnung

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Die Weltgesundheitsorganisation hat die Alarmstufe für eine Grippe-Pandemie von drei auf vier erhöht. Das bedeutet einen "bedeutenden Anstieg des Risikos einer Pandemie". In Spanien und Großbritannien wurden erste Schweinegrippe-Fälle bestätigt, Entwarnung gibt es zunächst für Deutschland.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat wegen der Schweinegrippe eine seit 2005 geltende Alarmphase verschärft. Ab sofort gelte Alarmplan vier nach der bisherigen 3. Stufe, erklärte der amtierende WHO-Generaldirektor für Gesundheitssicherheit und Umwelt, Keiji Fukuda, in Genf nach einer Sondersitzung einer Expertengruppe.

Warnstufe vier bedeutet einen "bedeutenden Anstieg des Risikos einer Pandemie", also einer sich über Ländergrenzen hinweg ausbreitenden Infektionskrankheit. Außerdem besagt Stufe vier, dass ein neues Grippevirus von Tieren auch Menschen infizieren kann und von Mensch zu Mensch übertragen wird.

Bei der höchsten Stufe 6 wird von einer weltweiten Ausbreitung des Virus, also von einer Pandemie ausgegangen. Die Verschärfung betrifft das mutierte Schweinegrippevirus vom Typ H1N1.

Die WHO empfiehlt derzeit keine Reisebeschränkungen oder gar das Schließen von Grenzen, erklärte die Organisation auf ihrer Website. Wenn möglich sollten aber Reisen in gefährdete Gebiete vermieden werden. Es gehe grundsätzlich keine Gefahr vom Genuss gekochten Schweinefleisches und Produkten aus Schweinefleisch aus, hieß es weiter.

Die Schweinegrippe breitet sich unterdessen weiter aus und schürt die Angst vor einer internationalen Bedrohung. Entwarnung gab es zunächst jedoch bei den ersten Schweinegrippe-Verdachtsfällen in Deutschland: Ein Schnelltest bei den im Klinikum Bielefeld behandelten Geschwisterpaar hat den zunächst aufgekommenen Verdacht auf eine Infektion mit dem Virus am Montag weitgehend ausgeräumt. Das Geschwisterpaar - beide nach Angaben des Sprechers Anfang 20 - liegen auf der Isolierstation.

"Es ist fast ausgeschlossen, dass es sich um die Mexiko-Grippe handelt", sagte der Sprecher des Krankenhauses, Axel Dittmar. Ein dritter zunächst in Medienberichten genannter Verdachtsfall wurde am Abend von der Stadt Bielefeld dementiert.

In Spanien ist ein Fall der Krankheit bestätigt worden. Wie das Gesundheitsministerium in Madrid mitteilte, handelt es sich um einen Mann, der vor kurzem von einer Reise aus Mexiko zurückgekehrt war. Der 23-Jährige befindet sich in einem Krankenhaus in Almansa nahe Albacete im Südosten Spaniens unter Quarantäne. Zudem überprüfen die spanischen Gesundheitsbehörden weitere 20 Schweinegrippe-Verdachtsfälle.

Und auch in Großbritannien wurden zwei Fälle der Schweinegrippe bestätigt. Bei zwei Patienten in Schottland sei der Erreger nachgewiesen worden, teilte die schottische Gesundheitsministerin Nicola Sturgeon am Montagabend in Edinburgh mit. Die beiden Patienten waren am Wochenende nach einer Mexikoreise in ein Krankenhaus gebracht worden und befanden sich seitdem auf einer Isolationsstation.

Bei einer Kanadierin, die ebenfalls in Großbritannien auf die Schweinegrippe untersucht wurde, konnte der Erreger unterdessen nicht festgestellt werden. Verdachtsfälle in Europa wurden auch aus Italien, der Schweiz, Dänemark, Schweden und erneut aus Frankreich gemeldet.

In Mexiko kostete die Epidemie möglicherweise bereits bis zu 149 Menschen das Leben. Dies teilte Gesundheitsminister José Ángel Cordova in Mexiko-Stadt mit. Zuvor war die Zahl der mutmaßlichen Schweinegrippe-Toten mit knapp über 100 angegeben worden. Bestätigte Fälle gibt es bislang 20. Die Regierung ordnete an, die Schulen im ganzen Land zu schließen.

Die US-Regierung rief den Gesundheits-Alarmzustand aus. In den USA gibt es nach Behördenangaben jetzt in fünf Bundesstaaten 40 Fälle der Schweinegrippe. Allein in New York seien 20 weitere Menschen an einer Schule als krank gemeldet worden, teilte das Seuchenzentrum CDC am Montag in Washington mit. Der New Yorker Bürgermeister Michael Bloomberg sprach von 28 sicheren und 17 vermuteten Fällen, die offenbar alle an derselben Schule in Queens aufgetreten seien. "Wir glauben, dass es an dieser Schule vermutlich mehr als 100 Fälle von Schweinegrippe gibt", sagte er. In Kanada gibt es sechs bestätigte Fälle. Weitere Verdachtsfälle gibt es in Israel und Neuseeland.

Auswärtiges Amt warnt vor Reisen

Auch das Auswärtige Amt rät wegen der Schweinegrippe von nicht unbedingt erforderlichen Reisen nach Mexiko ab. Zuvor hatte bereits EU-Gesundheitskommissarin Androulla Vassiliou von Reisen in die betroffene Gebiete - in erster Linie Mexiko und die USA - abgeraten. An mehreren deutschen Flughäfen herrscht erhöhte Alarmbereitschaft. In Frankfurt/Main werden Reisende aus Mexiko im Verdachtsfall noch im Flugzeug untersucht.

US-Präsident Barack Obama warnte vor Panik. Die Schweinegrippe bereite eine ernste Sorge, sei aber kein Grund, die Alarmglocken zu läuten.

Der Pharmakonzern Roche teilte mit, er könne binnen 24 Stunden drei Millionen Packungen Tamiflu in alle Länder und Regionen liefern, die von einer Schweinegrippe-Pandemie bedroht sind.

Experten in Deutschland warnten vor einer Panik. Der Präsident des Robert-Koch-Instituts, Jörg Hacker, hielt es zwar für denkbar, dass der Erreger bis nach Deutschland kommt - doch sei man gut vorbereitet. Es liege ein Nationaler Pandemieplan von Bund und Ländern vor, auf dessen Grundlage angemessen auf einen Sprung der Schweinegrippe von Mexiko nach Deutschland reagiert werden könne.

In Mexiko sind inzwischen weit über hundert Menschen an der Schweinegrippe gestorben. Nach Angaben von Gesundheitsminister Córdova werden im ganzen Land mehr als 1610 Grippekranke in Hospitälern behandelt. Über 60 Prozent der Patienten seien auf dem Weg der Besserung.

Mexikos Präsident Felipe Calderón ermächtigte die Gesundheitsbehörden, Grippekranke zu isolieren und deren Wohnungen zu inspizieren. Außerdem spürten die Behörden Erkrankte auf Flughäfen und Bahnhöfen auf.

In Mexikos Hauptstadt-Region sind bereits seit Freitag alle Schulen geschlossen, Großveranstaltungen verboten. Fußballspiele werden ohne Publikum ausgetragen. Und auch die katholische Kirche hat die Pforten ihrer Kirchen für Sonntagsmessen schließen müssen. Die Regelungen gelten zunächst bis zum nächsten Wochenende.

Die US-Regierung erleichterte unterdessen mit der Ausrufung des Gesundheits-Alarmzustandes den Zugang staatlicher Stellen zu Grippetests und Medikamenten. Es gebe jedoch keinen Grund zur Panik, betonte das Weiße Haus.

Die USA begannen außerdem mit der gezielten Überwachung ihrer Grenzen. Wer einreisen will, wird "passiv durchleuchtet", wie der Leiter der Gesundheitsbehörde erklärte. Grenzbeamte würden die Einreisenden nach Fieber und Krankheiten fragen und "nach Leuten Ausschau halten, die krank sind", sagte er.

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