Atomkatastrophe von Fukushima:Der Weg des verstrahlten Wassers

Der Super-GAU in Fukushima hat große Mengen Meerwasser vor Japans Küste radioaktiv verseucht. Deutsche Wissenschaftler haben berechnet, wie es sich im Pazifik verteilt hat und wann es die US-Küste erreichen wird.

Durch den Super-GAU im Atomkraftwerk Fukushima-1 im März 2011 waren große Mengen radioaktiven Materials in die Atmosphäre und von dort in den Pazifischen Ozean gelangt, außerdem war verstrahltes Wasser auch direkt ins Meer geleitet worden. Welche Folgen die Verschmutzung längerfristig für die Meeresorganismen damit auch für den Menschen haben wird, ist noch unklar.

Immerhin haben US-Forscher im Mai 2012 festgestellt, dass Blauflossen-Thunfische vor der Küste Amerikas deutlich stärker mit radioaktiven Isotopen des Elements Cäsium belastet waren als 2008 gefangene Tiere. Die Fische hatten sich offenbar zuvor vor Japans Küste aufgehalten. Die Belastung soll allerdings nicht so hoch sein, dass die betroffenen Tiere nicht verzehrt werden dürften.

Wie sich das radioaktiv verseuchte Wasser von Japan aus bisher ausgebreitet hat und wie es sich innerhalb von zehn Jahren verteilen wird, haben nun deutsche Wissenschaftler untersucht. Die Forscher um Claus Böning und Erik Behrens vom Geomar/Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel haben festgestellt, dass die Konzentration der Isotope - darunter auch langlebige wie das im Meerwasser gut lösliche Cäsium-137 - wegen der Vermischung mit nicht verschmutztem Wasser stark verdünnt hat.

Über nahezu den halben Nordpazifik verteilt

"Die im März und April 2011 in den Pazifik geflossene Menge an Radioaktivität war mindestens dreimal so groß wie die, die 1986 infolge der Tschernobyl-Katastrophe in die Ostsee eingetragen wurde", sagte Böning. Sie habe bei rund zehn Terabecquerel - zehn Billionen Becquerel - pro Kubikmeter Wasser gelegen. "Trotzdem sind die von uns simulierten Strahlungswerte im Pazifik bereits jetzt niedriger als die Werte, die man noch heute, 26 Jahre nach Tschernobyl, in der Ostsee findet."

Die Forscher haben detaillierte Computersimulationen vorgenommen und eigenen Angaben zufolge bei ihren Modellen großen Wert auf eine möglichst realistische Darstellung gelegt. Deshalb berücksichtigten sie nicht nur die Hauptströmung vor Japans Küste, den Kuroshio, sondern auch veränderliche Wirbel.

"Nach unseren Modellrechnungen dürfte durch diese starken Verwirbelungen das radioaktive Wasser schon jetzt über nahezu den halben Nordpazifik verteilt worden sein", erklärt Behrens. "Zudem haben Winterstürme das Wasser bis in Tiefen von rund 500 Metern vermischt." Aus diesem Grund ist die Konzentration der Isotope inzwischen nur noch relativ gering, wie sie in der Fachzeitschrift Environmental Research Letters berichten. Aus den Computermodellen geht hervor, dass Ausläufer des kontaminierten Wassers im Herbst 2013 die Hawaii-Inseln erreichen werden und sich weiter in Richtung Osten ausbreiten. In zwei bis drei Jahren werden die Isotope aus Japans havariertem Atomkraftwerk an der Küste der USA auftauchen.

Zwar wird sich das verstrahlte Wasser weiter verdünnen - allerdings deutlich langsamer als zuvor, da die ozeanischen Wirbel im Ostpazifik weit schwächer sind als in der Kuroshio-Region. Den Berechnungen der Forscher zufolge wird die radioaktive Aktivität des Cäsiums-137 vor der US-Küste auf etwa zehn bis 20 Becquerel pro Kubikmeter abgesunken sein. Zum Vergleich: In Deutschland gilt ein Grenzwert von 600 Becquerel pro Kilogramm Nahrungsmittel - nur für Milch und Babynahrung gilt ein strengerer Wert.

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