Lingen (dpa/lni) - Die Brennelementfabrik in Lingen hat nach Informationen eines Atomkraftgegner-Bündnisses erneut Uran aus Russland erhalten. Am späten Donnerstagabend seien drei Lastwagen mit jeweils vier Uranfässern an der Anlage im Emsland eingetroffen, sagte am Freitag Alexander Vent vom Bündnis AgiEL - Atomkraftgegner*innen im Emsland.
Das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung bestätigte den Transport am Freitag auf Anfrage gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. Das Unternehmen selbst äußerte sich auf eine Anfrage nicht konkret zu dem Transport, verwies aber darauf, sich an alle internationalen Sanktionen zu halten.
Mitglieder des Bündnisses haben am Donnerstagmittag die Einfahrt eines aus St. Petersburg kommenden Schiffes im Hafen von Rotterdam beobachtet. Damit sei es dem Anti-Atom-Bündnis zum ersten Mal gelungen, die Ankunft eines russischen Urantransports in Rotterdam zu beobachten und eine Verbindung nach Lingen herzustellen. Bei der Ankunft sei eine Mahnwache abgehalten worden, sagte Vent.
Für Kernbrennstoffe gibt es ebenso wie für Gas auf EU-Ebene kein Einfuhrverbot aus Russland. Das Aktionsbündnis forderte von der Bundesregierung und der niederländischen Regierung die sofortige Verhängung eines solchen Einfuhrverbots.
„Wir sind entsetzt, dass auch zwei Jahre nach dem Beginn des brutalen russischen Angriffskriegs auf die Ukraine im Atombereich „business as usual“ herrscht“, sagte Vent.
In Lingen werden seit mehr als vier Jahrzehnten Brennelemente für Atomkraftwerke in Europa hergestellt. Die Firma Advanced Nuclear Fuels (ANF) gehört dem französischen Unternehmen Framatome.
ANF in Lingen soll künftig auch Brennelemente für osteuropäische Atomkraftwerke sowjetischer Bauart herstellen. Damit sollen Kraftwerke in Osteuropa unabhängiger gemacht werden von Lieferungen aus Russland. Die ANF-Mutter Framatome hat dazu in Frankreich ein Joint Venture mit einem Tochterunternehmen des russischen Atomkonzerns Rosatom geschlossen.
Der entsprechende Antrag wird derzeit vom niedersächsischen Umweltministerium im Auftrag des Bundes geprüft. Noch bis Anfang März sind im Zuge der Öffentlichkeitsbeteiligung Antrag und zugehörige Unterlagen in der Stadt Lingen, im Ministerium in Hannover und online einsehbar.
Niedersachsens Energieminister Christian Meyer (Grüne) kritisierte die Beteiligung Russlands an dem Atom-Unternehmen angesichts des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine. „Wir halten jegliche Geschäfte mit Putins Russland gerade im sensiblen Atombereich für sehr bedenklich“, sagte er. „Es wäre gut, wenn die Forderung von Vizekanzler Robert Habeck sich in der EU durchsetzt und auch Uranimporte aus Russland auf die Sanktionsliste gesetzt werden - zumal Uran auch aus Kanada, Australien oder anderen Demokratien geliefert werden kann.“
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