Süddeutsche Zeitung

Atmosphäre:Das Loch schrumpft

Erstmals ist nachgewiesen, dass sich die Ozonschicht erholt. Damit steht fest, dass sich Umwelt-Diplomatie tatsächlich lohnen kann.

Von Christian Endt

Manchmal bringt es eben doch etwas, wenn die Regierenden ins Flugzeug steigen und ein paar Tage über Umweltschutz verhandeln. Beinahe drei Jahrzehnte, nachdem das Montrealer Protokoll zum Schutz der Ozonschicht verabschiedet wurde, scheint der Kampf vorerst gewonnen zu sein. Die Ausdehnung des Ozonlochs habe seit dem Jahr 2000 deutlich abgenommen, berichten Forscher in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Science. Ein Team um Susan Solomon vom Massachusetts Institute of Technology hat dazu Daten von Messballonen und Satelliten ausgewertet und Modellrechnungen durchgeführt. "Erstmals ist der Nachweis gelungen, dass die Erholung der Ozonschicht begonnen hat", sagt Martin Dameris vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Dameris erforscht das Ozonloch seit vielen Jahren, war an der aktuellen Studie aber nicht beteiligt.

Schon seit 2011 deuten mehrere Veröffentlichungen darauf hin, dass die Ozonschicht das Schlimmste hinter sich hat. Einwandfrei ließ sich das allerdings bisher nicht zeigen. Das Ozonloch ist nicht das ganze Jahr über gleich groß; es bildet sich meistens im August, erreicht seine volle Größe im Oktober und wird von da an wieder kleiner. Diese saisonalen Schwankungen sind so groß, dass sie langfristige Veränderungen überlagern und diese nur schwer zu erkennen sind. Bisher hatten sich Studien meistens auf den Oktober bezogen. Da das Ozonloch dann am größten ist, sind die Daten besonders aussagekräftig; allerdings gibt es im Oktober von Jahr zu Jahr große Abweichungen. Solomon und ihre Kollegen haben sich nun stattdessen vor allem September-Daten angesehen, da die Bedingungen stabiler sind.

Trotzdem äußern sich die Wissenschaftler sehr zurückhaltend, was konkrete Zahlen anbelangt. Zwar steht in ihrem Aufsatz die Zahl von 4,5 Millionen Quadratkilometern, die das Ozonloch zwischen 2000 und 2015 an Größe verloren habe (jeweils im Vergleichsmonat September). Das wäre mehr als die Fläche Indiens. Allerdings ist die dazu angegebene Messungenauigkeit so groß, dass der Rückgang möglicherweise auch nur eine halbe Million Quadratkilometer beträgt - oder mehr als acht Millionen. Eindeutig ist jedenfalls, dass die Größenänderung negativ ist. Das Ozonloch wurde in den vergangenen 15 Jahren kleiner. Das zeigen auch andere Messgrößen wie die durchschnittliche Zahl der Ozonpartikel pro Fläche. Auch sie unterliegt starken Schwankungen, der Trend zeigt seit der Jahrtausendwende jedoch nach oben.

Die überraschende Rekordgröße im Jahr 2015 hat ein Vulkan in Chile verursacht

Für zusätzliche Verwirrung sorgte zuletzt, dass das Ozonloch im Oktober 2015 mit 25 Millionen Quadratkilometern plötzlich eine neue Rekordgröße erreicht hat. Das begründen die Wissenschaftler aber vor allem mit dem Ausbruch des chilenischen Calbuco-Vulkans im gleichen Jahr. Mit der Vulkanasche gelangten Sulfate in die Atmosphäre, welche die Ozonschicht angreifen. In den 1970er-Jahren hatten Chemiker festgestellt, dass die damals unter anderem in Kühlschränken verwendeten Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) die natürliche Ozonschicht in der Atmosphäre angreifen. Ozon absorbiert die krebserregende UV-B- und UV-C-Strahlung, das Ozonloch stellt daher vor allem auf der Südhalbkugel eine Gesundheitsgefahr dar. 1987 einigte sich die internationale Staatengemeinschaft auf ein Verbot von FCKW. "Wir sind auf dem richtigen Weg", sagt Martin Dameris. Dennoch gehen die Fachleute davon aus, dass sich das Ozonloch erst bis zur Mitte des 21. Jahrhunderts vollständig schließen wird. Selbst wenn die Politik schnell handelt, brauchen chemische Vorgänge in der Atmosphäre eben ihre Zeit.

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SZ vom 04.07.2016
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