Psychologie:Masken als Verhandlungshilfe

Coronavirus - Hannover

Atemmasken könnten in der nächsten Gehaltsverhandlung mit dem knausrigen Chef eine kleine Hilfe sein.

(Foto: Ole Spata/dpa)

Atemmasken schützen vor einer Corona-Infektion - und bieten offenbar zusätzlich Spielraum in dienstlichen Gesprächen.

Von Sebastian Herrmann

Mit einer Atemmaske vor Nase, Mund und Kinn verändert sich der Blick auf die Welt. Als Brillenträger erfährt man zunächst einen eintrübenden Effekt: Die Gläser beschlagen. Die warm-feuchte Abluft des Atemtrakts setzt eine Art Dampfsperre zwischen das Ich und die Umgebung, und so verwandeln sich die ersten Schritte mit Maske im Supermarkt zu einem halben Blindflug. Wenigstens lassen sich zum Beispiel Tomaten von Auberginen an der Farbe unterscheiden, ansonsten kann es schon mal komplizierter werden. Aber selbst wenn die Brillengläser wieder klar sind, leidet der Blick auf die anderen maskierten Menschen um einen herum: Hat der Mann gerade gelächelt, als er einem den Weg frei gemacht hat? Oder hat die Maske einen grimmigen Ausdruck verborgen? Wer weiß, was hinter diesem Atemschutz gerade vorgegangen ist.

Bisher hat sich die Wissenschaft - zu Recht natürlich - auf die Frage konzentriert, ob das Tragen von Atemmasken die Verbreitung des Coronavirus eindämmen und die Ansteckungsgefahr reduzieren kann (Die Antwort lautet: ja). Aber wie sich Masken auf soziale Interaktionen auswirken, ist bislang noch weitgehend unklar. Die Forschung dazu setzt gerade erst ein, es ist ja noch nicht so lange her, dass Atemmasken zu einem alltäglichen Anblick geworden sind. Gerade haben nun Ramzi Fatfouta von der University of Applied Sciences in Berlin und Yulia Oganian von der University of California in San Francisco auf dem Preprintserver PsyArXiv eine Studie veröffentlicht, die sich dieser Frage widmet. Das Ergebnis mutet zunächst seltsam an: Demnach akzeptieren Menschen eher ein unfaires Angebot, wenn dieses von einer Person mit medizinischer Atemmaske unterbreitet wird - und das sei auch noch rational, so die beiden Wissenschaftler. Das erfordert Erklärung.

Psychologische Distanz fördert das rationale Denken

Fatfouta und Oganian ließen ihre knapp 500 Probanden das sogenannte Ultimatum-Spiel spielen. Dieses funktioniert nach den folgenden, einfachen Regeln: Ein Spieler darf einen Betrag (zum Beispiel zehn Euro) nach Gutdünken zwischen sich und seinem Mitspieler aufteilen. Die zweite Person muss entscheiden, ob sie das Angebot annimmt oder nicht. Weist sie es zurück, gehen beide Spieler leer aus. Akzeptiert sie, erhalten beide den entsprechenden Betrag. Rational wäre es, jedes Angebot anzunehmen - aus ökonomischen Gründen ist es schließlich vernünftiger, wenig Geld statt gar keines zu bekommen. Aber so ticken die Menschen eben nicht: Erhalten sie unfaire Angebote, dann verzichten die meisten lieber auf Geld, Hauptsache, der Egoist auf der anderen Seite des Tisches kriegt auch gar nichts.

Atemmasken dämpfen diese emotionale Reaktion offenbar. Fatfouta und Oganian legten ihren Probanden Fotos der Person vor, von denen die Angebote im Ultimatum-Spiel vermeintlich stammten. Trug diese auf dem Bild eine medizinisch anmutende Atemmaske, dann akzeptierten sie unfaire Angebote eher, als wenn ihr Gegenüber keine Maske trug. Handelte es sich um ein eher sportlich gestaltetes Tuch, das anstelle einer Maske getragen wurde, stellte sich dieser Effekt hingegen nicht ein.

Daraus ließe sich ableiten: Hat man mit einem Menschen mit Schutzmaske zu tun, dann reagiert und handelt man eventuell ein kleines bisschen weniger emotional. Womöglich, so spekulieren die beiden Wissenschaftler, liege dies daran, dass durch die Atemmasken "psychologische Distanz" geschaffen werde - und dadurch das rationale Denken etwas mehr Raum erhalte. Wer weniger involviert ist, behält eben eher einen kühlen Kopf. Das zeigte sich auch einmal in einer Ultimatum-Spiel-Studie, in der die Probanden für andere entscheiden mussten: Auch da akzeptierten sie schlechtere Angebote, als sie für sich selbst je hinnehmen würden.

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