Auch die Erde hat einmal klein angefangen. Winzige Silikatkügelchen, nur wenige Millimeter groß, könnten es gewesen sein, die vor mehr als vier Milliarden Jahren die ersten Bausteine der heutigen Planeten bildeten.
Abgebremst durch das Gas der jungen Sonne, klumpte sich das kosmische Granulat zu Asteroiden zusammen. Die Asteroiden wuchsen zu Protoplaneten heran, den Vorgängern der Erde und ihrer Nachbarn. Darauf deuten Computersimulationen hin, die eine Forschergruppe um Anders Johansen von der schwedischen Lund University nun im Fachblatt Science Advances (online) veröffentlicht hat.
Die möglichen Ur-Bausteine sind längst von der Erde verschwunden. In Meteoriten jedoch, den Bruchstücken von Asteroiden, die auch heute noch unentwegt auf die Erde einprasseln, sind sie noch zu finden. Unter dem Mikroskop zeigt sich, dass viele Meteoriten aus kleinen Kügelchen bestehen. Astronomen sprechen von Chondren. Wie sich diese zu Asteroiden vereinigten, die mitunter bis zu 1000 Kilometer groß sind, ließ sich bislang allerdings nicht schlüssig erklären.
Die Sonne lieferte den Auslöser
Johansen und sein Team haben daher versucht, die Bedingungen im jungen Sonnensystem mit dem Computer zu simulieren. Sie gingen dabei von einer großen Wolke aus Chondren aus, die nur darauf warteten, sich zusammenzuklumpen. Zunächst fehlte dafür allerdings ein Auslöser.
Den lieferte die Sonne: "Die Chondren haben genau die richtige Größe um durch das Gas, das die junge Sonne umgab, abgebremst zu werden", sagt Anders Johansen. Sobald sie langsam genug waren, konnten die Kügelchen durch die Anziehungskraft größerer Brocken eingefangen werden. Sie regneten auf die entstehenden Asteroiden hinab - wie Sand, der sich bei einem Sturm am Boden anhäuft.
Den Simulationen zufolge wuchsen die Asteroiden schnell auf eine Größe von 1000 Kilometer an: Ausmaße, wie sie noch heute im Asteroidengürtel zwischen den Planetenbahnen von Mars und Jupiter zu finden sind. Andere Brocken legten womöglich noch mehr Masse zu. Sie wurden aber aus dem inneren Sonnensystem herausgedrückt und landeten in dessen Außenbezirken, im sogenannten Kuiper-Gürtel. Dort fanden sie keine Chondren mehr, um weiterzuwachsen.
Auch der Mars könnte so entstanden sein
Zwergplaneten wie Pluto oder Eris könnten in diese Gruppe halbwüchsiger Planeten fallen. "Körper, die ursprünglich bereits zum Kuiper-Gürtel gehörten, blieben hingegen kleiner", sagt Pedro Lacerda vom Göttinger Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung, einer der Autoren der Studie.
Die größten Brocken der Computersimulation erreichten sogar die Ausmaße des Mars, der etwa ein Zehntel der Erdmasse hat. Der gesamte Vorgang dauerte lediglich ein paar Millionen Jahre - ein Wimpernschlag in kosmischen Zeitskalen. Eine ähnliche Zeitspanne für die Geburt des Roten Planeten hatten Astronomen zuvor bereits mit Hilfe von Marsgestein ermittelt.
Für Johansen und Kollegen war das der Punkt, an dem sie hellhörig wurden. "Plötzlich wurde uns klar, dass dieser schnelle Prozess auch etwas über die Entstehung der Erde aussagen könnte", sagt der Astrophysiker. Bislang hatten Astronomen vermutet, dass die Erde im Zeitraum von 100 Millionen Jahren durch Kollisionen sogenannter Protoplaneten entstanden ist - Himmelskörper von der Größe des Mars. Woher diese Brocken kamen und wie sie sich geformt hatten, konnten die gängigen Theorien allerdings nicht erklären.
Eine Antwort könnte nun die Wolke aus Chondren liefern - auch wenn sie bislang nur eine Simulation ist. Handfeste Belege zu finden, dürfte indes schwer werden: Anders als Asteroiden sind terrestrische Planeten während ihrer Geburt geschmolzen und dann wieder erstarrt. Mögliche Spuren der winzigen Bausteine wurden dabei vernichtet.