Ein "Hurrikan aus Dunkler Materie", das klingt mindestens nach der Kultserie Star Trek oder dem Film Interstellar von Christopher Nolan. Entweder steht ein Angriff der Klingonen bevor oder der Absturz in ein Schwarzes Loch.
Vermutlich nicht ganz ohne Absicht haben Astrophysiker diese aufregenden Worte benutzt, um auf eine Publikation in der Fachzeitschrift Physical Review Letters D hinzuweisen. Demnach zieht zurzeit ein Sturm aus Dunkler Materie durch das Sonnensystem. Das Spektakel könnte gar auf der Erde beobachtbar sein.
Dunkle Materie? Heißt diese nicht so, weil sie eben nicht zu sehen ist? Richtig, aber aus irgendwelchen Teilchen müsste auch diese bestehen, und ein spezieller Teilchendetektor - so die Hoffnung der Forscher - könnte womöglich eines der unsichtbaren "dark matter particles" auffangen, die da mit beträchtlicher Geschwindigkeit durch unser Sonnensystem wehen.
Dass es Dunkle Materie geben muss, haben Himmelsforscher bereits vor Jahren postuliert, weil sich Sterne und Galaxien im Universums nicht so bewegen, wie es den Anziehungskräften der sichtbaren Materie entspricht. Es muss da draußen also noch mehr geben, viel Masse, deren Schwerkraft auch an den sichtbaren Himmelsobjekten zerrt. Es wurde errechnet, dass es im Kosmos fünf Mal so viel Dunkle Materie wie sichtbare Materie geben müsste. Woraus sie besteht? Darüber sind sich Astro- wie Teilchenphysiker noch völlig im Unklaren.
Zehn Milliarden Sonnenmassen unsichtbarer Masse
Nach Ansicht von Astronomen fliegt aktuell eine Menge dieser Dunklen Materie durch unser Sonnensystem. Ein von Ciaran O'Hare und anderen Astronomen der Universität von Saragossa veröffentlichtes Papier beschreibt eine Ansammlung von Sternen, die vermutlich Überbleibsel einer Zwerggalaxie sind, die vor Milliarden Jahren von der Milchstraße verschlungen wurde. Diese Sterne bewegen sich nach Erkenntnissen der Astronomen gemeinsam auf einer elliptischen Bahn um das Milchstraßenzentrum, welche die Bahn unseres Sonnensystems kreuzt. Die rund 30 000 Sterne dieses S1-Stroms, deren gemeinsame Bewegungsrichtung im vergangenen Jahr vom Esa-Satelliten "Gaia" entdeckt wurde, fließen dabei deutlich schneller durch die Milchstraße als unser Sonnensystem. Das hat O'Hare mit seinem Team festgestellt, indem sie einige der Sterne des S1-Stroms genau vermessen haben.
Der S1-Strom kurvt derzeit mit rund 500 Kilometer pro Sekunde um das Milchstraßenzentrum, fast genau in die entgegengesetzte Richtung wie unser Sonnensystem. Eine Kollisionsgefahr mit einem der Sterne dieses S1-Stroms besteht nicht. Aber es wird vermutet, dass dieser Strom, so wie jede Ansammlung von Sternen im Universum, eine Menge Dunkler Materie mit sich bringt, so wie ein Auto, das über eine staubige Straße rast.
Schätzungen belaufen sich auf zehn Milliarden Sonnenmassen unsichtbarer Masse, die der S1-Strom mit sich bringt. Weil diese Dunkle Materie durch das Sonnensystem weht, und dabei vermutlich auch auf die Erde trifft, müssten Teilchendetektoren eine erhöhte Chance haben, Partikel dieser unbekannten Materie zu finden und festzustellen, aus was Dunkle Materie denn nun besteht. Dazu müssten einzelne Partikel der Dunklen Materie auf das Material eines speziellen Teilchendetektors treffen. Oft wird hierzu ein riesiger Tank mit flüssigem Argon verwendet. Trifft ein Partikel der Dunklen Materie auf eines der Argon-Atome Prozess können empfindliche Messgeräte den Zusammenprall entdecken.
Theoretische Physiker haben bereits viele Kandidaten aus der Welt noch unbekannter Elementarteilchen erdacht, um die Dunkle Materie zu erklären. Oft ist allerdings nur vage von WIMPs die Rede, von "weakly interacting massive particles", also schwach wechselwirkenden massiven Teilchen. Das Wort massiv ist dabei relativ zu sehen: Die Partikel der Dunklen Materie sind womöglich nur ein 500 Millionstel so schwer wie ein Elektron, das in der Partikelwelt bereits als Leichtgewicht gilt.