Astronomie:Weltraumteleskop Kepler im Koma

Keplar Spacecraft

Das Weltraumteleskop Kepler hat bereits mehr als 1000 Planeten entdeckt.

(Foto: AP)

Die Nasa will das Gerät retten. Misslingt ihr das, könnte es das Ende einer verheißungsvollen Mission sein.

Von Patrick Illinger

In der Humanmedizin würde man von einem Koma sprechen. Vielleicht noch von einem Wachkoma, was die Sache nicht viel besser macht. Gesund und munter ist der Patient jedenfalls nicht, die Lebensfunktionen sind auf ein Minimum reduziert. Und nur weil es sich nicht um einen Menschen handelt, sondern um ein Weltraumteleskop, spricht das zuständige Versorgungspersonal von einem emergency mode, einem Notfallmodus, kurz EM.

Kepler heißt das seit dem Jahr 2009 um die Sonne kreisende und seit wenigen Tagen kaum mehr ansprechbare Gerät. Der Ausfall trifft die Astronomie hart, schließlich soll Kepler eine der spannendsten Fragen der Himmelsforschung, ja sogar der Menschheitsgeschichte verfolgen: Haben auch andere Sterne Planeten, auf denen Lebewesen existieren können?

Um das zu klären, blickt Kepler, anders als etwa das Hubble-Teleskop, nicht möglichst tief ins All, sondern beobachtet mit seinem knapp einen Meter breiten Fernrohr und einem 95-Megapixel-Fotometer rund 100 000 Sterne gleichzeitig. Verdunkelt sich einer der Sterne phasenweise, kann das bedeuten, dass ein Planet vor seiner leuchtenden Scheibe vorüberzieht und einen Bruchteil des Lichts, mitunter nur 0,01 Prozent der Helligkeit, abdeckt. Die Empfindlichkeit des Kepler-Teleskops ist so groß, dass es feststellen könnte, wenn eine Fruchtfliege vor einem Autoscheinwerfer vorüberfliegt.

Schwierige Funkverbindung

Auf der Erde wären solche Messungen aufgrund der schwankenden Lichtverhältnisse unmöglich. Also baute die Nasa für rund 600 Millionen Dollar ein Weltraumteleskop und benannte es nach Johannes Kepler, einem der größten Astronomen, die je gelebt haben. Die Ambitionen sind eindeutig, und tatsächlich entdeckte Kepler in seinen ersten vier Dienstjahren mehr als 1000 Planeten, die um ferne Sterne kreisen. Weitere 4600 Verdachtsfälle warten noch auf eine Bestätigung.

Die ersten Planeten in fernen Sternensystemen wurden bereits Mitte der 1990er-Jahre entdeckt, doch handelte es sich um lebensfeindliche, riesige Gasbälle, ähnlich dem Jupiter, oder extrem heiße Brocken. Erst Kepler hat auch erdähnliche Planeten im All entdeckt. Allerdings kreisen nur wenige davon in einem lebensfreundlichen Abstand um ihr Zentralgestirn. Ein Beispiel ist Kepler-452b im Sternbild des Schwans, der etwa 60 Prozent größer als die Erde ist. Allerdings: Anzeichen für Leben sind noch keine gefunden worden.

Bereits im Mai 2013 erlitt Kepler einen Rückschlag. Eines der Schwungräder, die zur Lageregelung dienen, fiel aus. Seither schwebt das Forschungsgerät nicht mehr ganz so stabil durchs All. Die Nasa-Wissenschaftler entwarfen ein neues Forschungsprogramm, angepasst an Keplers Gebrechen. Als die Experten in der vergangenen Woche eine Kontaktaufnahme versuchten, fanden sie das Teleskop in einer Art Koma vor - im Notfallmodus, bei dem jedoch Energie verbraucht wird - zum Beispiel um rudimentäre Signale zur Bodenstation im kalifornischen Ames-Forschungszentrum der Nasa zu senden. Von dort aus versuchen die Techniker nun eine Ferndiagnose. Doch das ist mühsam, denn Kepler ist derzeit 120 Millionen Kilometer von der Erde entfernt. Funksignale brauchen für den Hin- und Rückweg 13 Minuten.

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