Süddeutsche Zeitung

Astronomie und Geologie:Kosmischer Kugelhagel

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Einschläge von Asteroiden auf Erde und Mond sind selten. Kommen sie dennoch häufiger vor als vor Urzeiten? Eine neue Studie entzweit die Fachwelt.

Von Tobias Kühn

Die meisten Beobachter freuten sich bei der Mondfinsternis Anfang der Woche vor allem über die blutrote Farbe, die der Mond für rund eine Stunde annahm. Doch für den Bruchteil einer Sekunde blitzte es auf seiner Oberfläche auch weiß auf. Mittlerweile sind Astronomen sicher, dass ein Meteorit den Lichtblitz verursachte - der erste beobachtete Einschlag während einer Mondfinsternis überhaupt. Der Brocken könnte etwa die Größe eines Fußballs gehabt haben.

Den Mond treffen alle paar Tage Gesteinsbrocken von der Größe einer Waschmaschine, viel häufiger zudem Mikrometeoriten, nicht größer als Rollsplitt. Doch das Bombardement aus dem All könnte nicht immer so intensiv gewesen sein. Forscher meinen jetzt herausgefunden zu haben, dass der kosmische Beschuss vor knapp 300 Millionen Jahren sprunghaft angestiegen ist. Das folgern sie im Wissenschaftsjournal Science aus der Untersuchung von Einschlagskratern auf Mond und Erde. In der Fachwelt löst diese Behauptung allerdings Streit aus.

Mithilfe einer neuen Methode ermittelte ein Team um Sara Mazrouei von der Universität Toronto das Alter von 111 Einschlagskratern auf dem Mond. Daraus folgern sie, dass die Häufigkeit von Einschlägen vor ungefähr 290 Millionen Jahren auf das Zweieinhalbfache der früheren Rate angestiegen ist. Eine mögliche Erklärung dafür wäre, dass damals ein großer Asteroid im Sonnensystem zerborsten war, dessen Bruchstücke in der Folge auf Mond und Erde einprasselten. Der Geophysiker Stefan Hergarten von der Universität Freiburg hält die Hypothese hingegen für ein "Kartenhaus". Er bezweifelt aufgrund der geringen Zahl der Krater mit bekanntem Alter, dass sich ein so weitreichender Schluss ziehen lässt. Möglicherweise sei das Alter der übrigen Krater falsch ermittelt worden.

Auch bei der Untersuchung von Einschlagslöchern auf der Erde kamen die Forscher um Mazrouei zu einem ähnlichen Ergebnis: Die Rate der Einschläge sei vermutlich vor etwa 290 Millionen Jahren sprunghaft angestiegen. Der Vergleich zwischen Erde und Mond ist allerdings kompliziert. Auf der Erde sind die meisten Krater durch Erosion verschwunden. Diesen Effekt hält Stefan Hergarten in der Studie für zu wenig berücksichtigt. Mit Kollegen kommt er zu dem Schluss, dass die irdischen Krater ohne einen sprunghaften Anstieg der Einschlagsrate erklärbar sind. Dass es weniger alte Krater gebe, liege nicht daran, dass früher weniger Asteroiden die Erde erreicht hätten, sondern dass deren Spuren mit der Zeit verschwunden seien.

Ein weiterer Befund der neuen Studie ist rätselhaft: Auf der Erde ist kaum ein Krater älter als 650 Millionen Jahre. Das ist weder durch Erosion noch eine Veränderung der Einschlagsrate zu erklären. Die Autoren spekulieren, dass die Spuren aus der Zeit davor von einer fast vollständigen Vereisung der Erde vernichtet wurden - eine Annahme, die als Schneeball-Erde-Hypothese bekannt, allerdings ebenfalls umstritten ist.

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Quelle:
SZ vom 25.01.2019
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