Geplantes Teleskop auf Hawaii:Nicht auf unserem Berg

Geplantes Teleskop auf Hawaii: So soll das Riesenteleskop auf dem Gipfel des Mauna Kea aussehen - wenn es denn gebaut wird.

So soll das Riesenteleskop auf dem Gipfel des Mauna Kea aussehen - wenn es denn gebaut wird.

(Foto: AP)

Auf Hawaii soll das größte Teleskop der Welt entstehen. Doch die Ureinwohner fürchten um die Unversehrtheit von Mauna Kea, dem heiligsten Berg des Inselreichs. Sie laufen Sturm.

Von Philipp Hummel

Obwohl ihre Hände mit Kabelbindern gefesselt sind, hören sie nicht auf zu singen. Es liegt eine andächtige Stimmung über dem Gipfel des Mauna Kea, dem höchsten Berg Hawaiis, als dort im April 31 Demonstranten von der Polizei festgenommen werden. Gemeinsam mit 270 Mitstreitern hatten sie versucht, den Weiterbau eines Riesenteleskops zu verhindern, das hier in 4200 Metern Höhe entsteht.

Wenn es nach einem internationalen Team von Astronomen geht, wird das Thirty-Meter Telescope (TMT) von 2022 an tief ins Weltall blicken. Das 1,4 Milliarden Dollar teure Gerät wäre das größte Teleskop der Welt. Es soll die Entstehung von Galaxien beobachten, nach Planeten außerhalb des Sonnensystems suchen und das Geheimnis der Dunklen Materie lüften. Doch ob es je fertig wird, ist fraglich. Eine Koalition aus Ureinwohnern, Umweltschützern und Internetaktivisten läuft Sturm gegen das Prestigeprojekt.

Der heiligste aller heiligen Berge

Mauna Kea bedeutet "weißer Berg". Der Gipfel des schlafenden Vulkans ist im Winter von Schnee bedeckt. Die Luft dort oben ist klar und trocken, die Wolken hängen im Tal. Ein idealer Ort, um die Sterne zu beobachten. Folglich fiel die Wahl auf diesen Berg, als Astronomen nach einem Standort für das TMT suchten. Auf dem Mauna Kea stehen bereits zwölf andere Teleskope, der Berg gilt als idealer Aussichtspunkt für Astronomen.

Gleichzeitig aber ist er eine Kultstätte der hawaiischen Kultur. Für die indigene Bevölkerung stellt er den heiligsten ihrer heiligen Berge dar. Der Himmelsvater der Hawaiianer Wākea hat mit der Erdmutter Papahānaumoku die hawaiischen Inseln gezeugt. Und Mauna Kea war ihr erstgeborener Sohn, so will es die Überlieferung. Auf dem Berg befinden sich traditionelle Schreine, Altare und Grabstätten.

Diese könnten durch den Bau des TMT Schaden nehmen, fürchten die Nachkommen der Ureinwohner. Sie sind nicht die Einzigen, die gegen den Bau protestieren. Umweltschützer sehen das Ökosystem des Bergs bedroht, seltene Vogelarten und Käfer leben an den Hängen. Zuletzt griff sogar eine der Anonymous-Bewegung nahestehende Hacker-Gruppe die Website des Projekts an und legte sie für Stunden lahm.

Nicht alle Bewohner sind dagegen

Das war die jüngste Wendung in einem Konflikt, der seit Jahren schwelt. Bereits 2006 lehnte ein Richter eine geplante Erweiterung der existierenden Keck-Teleskope auf dem Mauna Kea ab. Der Bau des TMT hat den Streit nun eskalieren lassen. Schon beim Spatenstich im Oktober 2014 kam es zu Demonstrationen. Eine Gruppe aus sechs Aktivisten will das TMT auf dem Rechtsweg verhindern. Sie wirft der Universität von Hawaii und der Regierung der Insel vor, Auflagen zum Schutz von Kultur und Umwelt missachtet zu haben.

Den wahren Grund für die Proteste sehen Beobachter in einer lange schwelenden Unzufriedenheit mit dem Status der Insel. 1898 annektierten die USA die Inselgruppe, nachdem 1893 die letzte hawaiische Königin gestürzt worden war. Die neuen Besatzer bauten Hawaii mit Pearl Harbor zu einem ihrer wichtigsten Marine-Stützpunkte aus. Zeitweise waren auf dem Archipel mehr als eine halbe Million Soldaten stationiert. Hinzu kamen zahlreiche Einwanderer, vorwiegend aus Japan, China und den Philippinen. Heute machen die indigenen Hawaiianer nur noch zehn Prozent der 1,4 Millionen Einwohner der Inseln aus.

Einen Erfolg können die Gegner bereits verbuchen

Nicht alle Bewohner Hawaiis sind gegen den Bau. Einige sehen das Observatorium als Chance auf Wachstum und Wohlstand. Andere betonen die Analogie zu ihren polynesischen Vorfahren, die mithilfe der Sterne auf hoher See über große Strecken navigierten. Kritiker hingegen sehen das Teleskop als Symbol für die Zerstörung der verbliebenen Traditionen.

Das Konsortium hinter dem TMT bemüht sich, die Hawaiianer in den Entwicklungsprozess einzubinden. Es hat umfangreiche Gutachten zum Schutz von Umwelt und kulturellen Stätten in Auftrag gegeben. Die Forscher kündigten auch an, drei Millionen Dollar jährlich für die naturwissenschaftliche Bildung der indigenen Bevölkerung zu stiften, die von sozialen und wirtschaftlichen Härten besonders betroffen ist.

Bislang reichte das nicht aus, die Kritiker zu überzeugen. Ende April nahm das "Office of Hawaiian Affairs", eine Behörde für indigene Belange, Abstand von seiner 2009 ausgesprochenen Unterstützung des Projekts. Und die Aktivisten sind bereit, bis vor das Oberste Gericht Hawaiis zu ziehen, um das TMT zu verhindern. Einen Erfolg konnten die Gegner des Observatoriums bereits verbuchen: Der Bau des TMT wurde auf Geheiß des Gouverneurs David Ige und mit Zustimmung der potenziellen Teleskop-Betreiber für unbestimmte Zeit unterbrochen. Letztlich muss der Konflikt zwischen Wissenschaft und Tradition wohl durch einen irdischen Richterspruch entschieden werden.

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