Astronomie:Erste Lebensbausteine können im Weltall entstehen

Handout image shows the protoplanetary disc surrounding the young star HL Tauri

In protoplanetaren Scheiben wie dieser können sich bereits komplexe Moleküle wie Methanol bilden.

(Foto: HANDOUT/REUTERS)

Komplexe Moleküle bilden sich bereits im All und überdauern die Phase der Planetenentstehung, zeigen neue Beobachtungen. Was bedeutet das für die Entwicklung von Leben?

Von Rainer Kayser (dpa)

Die ersten Lebensbausteine - komplexe Moleküle auf der Basis von Kohlenstoff und Wasserstoff - entstehen bereits im Weltall und können die heiße Phase der Planetenentstehung überleben. Das zeigt der Nachweis von Methanol in der protoplanetaren Scheibe um einen heißen jungen Stern durch ein internationales Forscherteam. Die entscheidenden Schritte der vorbiologischen Evolution finden also bereits in kosmischen Wolken aus Gas und Staub statt, so die Wissenschaftler im Fachblatt Nature Astronomy.

"Um abzuschätzen, welches Potenzial es in einem Planetensystem um einen Stern für die Entstehung von Leben gibt, müssen wir die genaue Zusammensetzung der protoplanetaren Scheibe kennen", erläutern Alice Booth von der Universität Leiden in den Niederlanden und ihre Kollegen. Denn Astrobiologen gehen heute davon aus, dass die ersten vorbiologischen Bausteine für die Entstehung von Leben beispielsweise durch Kometen auf die Oberfläche junger Planeten gebracht werden.

Zumindest ein Teil des organischen Materials kann auch die Hitze der Planetenbildung überstehen

Tatsächlich konnten Astronomen in großen Wolken aus Gas und Staub zahlreiche organische Moleküle - also Moleküle auf der Basis von Kohlenstoff und Wasserstoff - aufspüren. Eine wichtige Rolle bei der Entstehung komplexer Moleküle wie Aminosäuren und Proteinen spielt dabei Methanol. Ein Nachweis von Methanol ist für Astronomen daher ein Indiz für das Vorhandensein einer komplexen organischen Chemie. Doch Methanol entsteht nur in relativ kühlen Umgebungen durch die Anlagerung von Wasserstoff an Kohlenmonoxid auf vereisten Staubkörnchen. Die offene Frage: Können diese präbiotischen Moleküle die Aufheizung der Gas- und Staubscheibe um einen jungen Stern in der Phase der Planetenentstehung überstehen?

Auf diese Frage haben Booth und ihre Kollegen jetzt eine Antwort gefunden. Ihre Beobachtungen mit ALMA, dem Atacama Large Millimeter/Submillimeter Array in Chile, zeigen Methanol in der protoplanetaren Scheibe um den 360 Lichtjahre entfernten, erst 5,8 Millionen Jahre alten Stern HD 100546. Dieser Stern besitzt etwa die doppelte Masse unserer Sonne und ist daher sehr viel leuchtkräftiger und heißer. Daher heizt er entsprechend auch seine protoplanetare Scheibe stärker auf, als es die Sonne in der Zeit der Planetenentstehung getan hat.

Bei den dort herrschenden Temperaturen kann, so argumentiert das Team um Booth, Methanol nicht entstehen - es muss sich also bereits früher in der noch kühlen Wolke aus Gas und Staub gebildet haben, aus der dann der Stern HD 100546 entstanden ist. "Damit haben wir einen starken Anhaltspunkt dafür, dass zumindest ein Teil des interstellaren organischen Materials die Entstehung der protoplanetaren Scheibe überstehen kann", so Booth und ihre Kollegen. "Damit stehen diese Stoffe dann für die sich bildenden Planeten, Monde und Kometen zur Verfügung." Der erste Schritt für die Entstehung von Leben findet also bereits im Weltall statt.

Zur SZ-Startseite

SZ PlusKosmologie
:Ein Stern zerreißt

2020 konnten Astronomen erstmals einen Riesenblitz aus einem sogenannten Magnetar beobachten. Diese Sterne bergen noch viele Geheimnisse.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: